Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
sah, was würde sie von ihm halten? Da fiel sein Blick auf Aydins Futon, der sonst unter seinem Bett einstaubte. Nun lag er neben dem Bett; er hatte ihn nicht sofort entdeckt oder wollte ihn nicht wahrhaben. Auf dem extra für ihn gerichteten Schlafplatz befanden sich sein Schlafanzug, daneben Kissen und Decke. Er seufzte tief. Weniger glücklich war er deshalb nicht.
Am nächsten Morgen wachte er nach wenigen, aber erholsamen Stunden Schlaf auf. Stimmengewirr drang aus der Küche. Er blickte auf das Handy neben sich auf dem Parkettboden. Kurz nach acht. Er hatte in der Aufregung vergessen, den Wecker zu stellen. Nun musste er auch den letzten Fastentag ohne vorherige Stärkung überstehen. Selma war bereits aufgestanden, hatte aber das Bett nicht gerichtet. Wahrscheinlich aus Rücksicht, um ihn nicht zu wecken. Er lauschte den aufgeregten Stimmen und erkannte auch die von seiner Tochter. Özlem war gekommen. Schon wieder dieses Glück, es übermannte ihn ein zweites Mal innerhalb weniger Stunden. Er raffte sich auf und kroch unter die Decke in sein Bett. Selmas Geschmack und Duft umhüllten ihn. Er schmeckte und roch und sog sie ein, bis er gestärkt war für den Gang in die Küche.
Der Geruch von
sucuk
und Spiegeleiern verhieß das Paradies auf Erden. Alle vier saßen um den gedeckten Tisch. Nicht feierlich gedeckt, sondern ganz normal, wie es üblich war für einen Tag, an dem man arbeiten musste. Wie sollte er Karin Zeil verhören?, fragte er sich. In nicht einmal einer Stunde musste er im Büro sitzen und aus ihr herausquetschen, was sie über Dietl wusste.
»Tut mir leid wegen dem Frühstück«, war das Erste, was er von Selma zu hören bekam, die ihn in der Tür entdeckte. »Ich bin über Nacht geblieben, weil wir lange geredet haben.«
»Und viel getrunken«, ergänzte Aydin mit einem leicht schiefen Lächeln.
»Freu dich auf heute Abend. Dann ist es vorbei mit dem Fasten«, machte ihm Selma Mut und ließ genüsslich eine Scheibe Tomate in den Mund verschwinden. Während sie glücklich zu Jale und Aydin schielte, fragte sich Zeki, woher die Tomate kam. Er hatte sie nicht eingekauft.
Özlem war inzwischen aufgestanden, um die Aluminiumkanne mit Wasser zu füllen. Sie lächelte ihn voller Mitgefühl an. Auch das noch, schoss es Zeki durch den Kopf. Erst trinken sie
çay,
zum Abschluss des Frühstücks einen starken Espresso. So wie er es ihnen beigebracht hatte.
»Jale hat sich entschieden, sie will das Kind bekommen«, freute sich Selma.
»Gut«, sagte Zeki trocken, als hätte er nichts anderes erwartet, und verschwand wieder aus der Küche. Er hatte nicht die Absicht, seine zukünftige Schwiegertochter im Schlafanzug zu umarmen.
Nachdem er sich im Badezimmer zurechtgemacht und angezogen hatte, holte er die Umarmung nach. Erst Jale, die sich ihm mit Tränen in den Augen an die Brust schmiegte. Dann Aydin. Sein Strahlen übertraf das seines Vaters. Selma verzog sich derweilen aus der Küche. Sie wollte nicht, dass Zeki sie weinen sah.
57
E inige Minuten vor dem anberaumten Termin stürmte statt Karin Zeil Gerichtsmedizinerin Dr. Ferner in das Büro. Bei sich hatte sie einen uniformierten Polizisten, der einen Leinensack schleppte. Er stellte ihn ab und verabschiedete sich.
»Hier ist nicht drin, was draufsteht«, erklärte sie geheimnisvoll, nachdem sie alle Anwesenden begrüßt hatte.
Leipold begutachtete den Aufdruck auf dem Sack. Das Logo einer Mälzerei mit Ähren und Holzschaufeln. »Spezialmalz, wird in der Mingabräu verarbeitet«, verlautbarte er fachmännisch. »Damit gibst du dem Bier seinen Geschmack. Wasser schmeckt ja nach nichts.«
»Genau«, bestätigte Ferner. »Und jetzt kommt es. Die Gerste beziehungsweise der Staub, den Bayrak im Silo eingeatmet hat, war kontaminiert.«
»Vergiftet?«, fragte Vierkant erschrocken.
»Das wäre zu viel gesagt. Ich habe die Werte aus unserem Labor weitergeleitet. Ein Fall für die Lebensmittelkontrolleure, aber nicht lebensbedrohlich, so viel kann ich definitiv sagen. Die Lunge des Opfers sieht in etwa aus wie ein Staubsaugerbeutel, mit dem man Mehl aufgesaugt hat. Bayrak ist erstickt.«
»Gott sei Dank!«, meldete sich Leipold bewegt zu Wort. »Stell dir vor, es wäre vergiftetes Bier im Umlauf.« Er sorgte sich ernsthaft über den guten Ruf des bayerischen Bieres.
»Also, hier drin ist nicht das Spezialmalz vom Bodensee, das in der Mingabräu normalerweise verwendet wird, richtig?«, fragte nun Cengiz. Sie hatte sich das Logo ebenfalls
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