Bierleichen: Ein Fall für Kommissar Pascha (Knaur TB) (German Edition)
Immer wieder drang sich Selmas Berührung auf seiner Wange in den Vordergrund. Nach einem geistigen Kraftakt gewann er seine Konzentration zurück und rekonstruierte, dass der Unfall beim Einfahren des Lkws passiert sein musste. Ein brauereieigener Bierlaster der Mingabräu stand halb mit dem vorderen Teil auf dem Gelände, der hintere Teil versperrte den Gehweg und ein Stück der Straße. Es gab kein Durchkommen für die Einsatzfahrzeuge. Sie parkten in der zweiten Reihe. Demirbilek gab sich einen Ruck und ging weiter. Da tauchte Leipold vor ihm auf. Er zwängte sich zwischen Laster und Einfahrtstor hindurch. In seinem Gesicht zeigte sich Verzweiflung.
»Er ist einfach losgelaufen. Ich konnte ihn nicht festhalten.«
Hätte ich es verhindern können, wenn ich geblieben wäre, statt an etwas zu essen und trinken zu denken?, fragte sich Demirbilek. Die Befragung des Lehrlings war auf seine dienstliche Anweisung hin geschehen. Er blickte zum Bierfahrer. Der Mann stand offensichtlich unter Schock. Er schluchzte bitterlich, zwei Sanitäter versorgten ihn.
»Und Isabel?«, erkundigte sich Demirbilek tonlos.
»Isa telefonierte gerade. Wir haben ihm sein windiges Alibi nicht abgenommen, deshalb hat sie bei ihm zu Hause angerufen. Seine Mutter war am Telefon, als der Laster auf das Gelände gebrettert ist.«
Demirbilek blickte sich suchend um. »Wo ist Isabel?«
»Ich habe einen Wagen zu den Eltern nach Fürstenfeldbruck geschickt. Isa ist mitgefahren, sie hat einen Helfer von der Krisenintervention mitgenommen.« Leipold schluckte bei der Vorstellung, wie seine Kollegen die Todesnachricht den Eltern überbrachten. Er meinte das knackende Geräusch gehört zu haben, wie der Kopf unter der Last des Lasters zerquetscht wurde.
»Also, was hat er gesagt, erzähl.«
»Am Anfang war alles völlig normal und …«
»Ab wann war es nicht mehr normal?«, fiel Demirbilek ihm ungeduldig ins Wort. »Komm zum Punkt!«
»Isa hat gemerkt, wie nervös er wurde, als wir nach Manuela Weigl gefragt haben, und hat nachgestochert. Du hast ihn ja selbst gesprochen. Lügen war nicht seine Stärke.«
Demirbilek ging in seiner Erinnerung das zähe Gespräch durch. »Ich habe ihn nicht nach Manuela Weigl gefragt.«
»Warum auch?«, lenkte Leipold ein.
»Hat er Bayrak in das Silo gestoßen?«
»So weit sind wir gar nicht gekommen. Wenn er es getan hat, dann wegen Manuela. Die anatolische Drecksau …«
»Reiß dich zusammen, Pius«, unterbrach Demirbilek ihn gereizt. »Berichte mir, was er ausgesagt hat, den Rest spar dir. Der ganze Fall rieselt uns durch die Finger, merkst du das nicht?« Manchmal linderte er seine Seelenqualen, indem er die eigene Hilflosigkeit an anderen ausließ.
»Schon gut«, beruhigte ihn Leipold und holte einen Zigarillo aus seinem Alu-Etui hervor.
»Also, was hat es mit Manuela und dem Lehrling auf sich?«
»In Ordnung, ich bringe es auf den Punkt: Er hat es immer wieder bei ihr probiert. Chancen hatte er aber keine. Dann hat er seine Angebetete beobachtet, wie sie dem Bayrak bei der Inventarliste geholfen hat. Vester hat behauptet, der neue Chef sei aufdringlich geworden. Die Weigl hat wohl ganz ordentlich Englisch gesprochen. Vester hat gehört, wie er ziemlich unverblümt nach Sex gefragt hat.«
Er paffte nach hinten, um Demirbilek den Rauch zu ersparen.
»Dann hat er weiter beobachtet, wie sie ins Büro vom Braumeister unten im Keller gegangen sind. Er hat hinter sich abgeschlossen. Kurz war es und laut, hat Vester gesagt. Als die Tür wieder aufging, hat er gesehen, wie sie paar Scheine in der Hand hielt. Danach haben sie mit der Inventur weitergemacht, als wäre nichts geschehen … Auf den Punkt gebracht.«
»Das glaubst du?«
»Warum nicht?«
Demirbilek dachte nach. Hatte Vester Bayrak ermordet, weil er mit Manuela Sex hatte? Noch dazu bezahlten? Es war schwer vorstellbar.
»Die drei, die uns etwas sagen könnten, sind tot«, stellte Leipold fest.
»Weigl, Bayrak und Vester, in der Reihenfolge«, ergänzte Demirbilek.
»Ich habe dem Jungen die Geschichte abgenommen. Er war vollkommen am Ende. Der hat die Wahrheit gesagt. Frag Isa, sie wird es dir bestätigen.«
»Was hat er noch gesagt?«
»Nicht mehr viel. Mittendrin ist er abgehauen, der Depp.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.
»Also kein Geständnis. Er hat den Mord nicht zugegeben?«
»Nein«, antwortete Leipold resigniert.
»Und was denkst du?«
»Dass er ihn in das Silo gestoßen und die Maschine eingeschaltet hat.«
»Das
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