Biest: Thriller (German Edition)
weiße Hosen und ein rosafarbenes Poloshirt, das stark spannte und sein sonnengerötetes Gesicht noch betonte. Offenbar hatte er seinen hellen slawischen Teint etwas zu lange der Mittelmeersonne ausgesetzt. Der Russe begrüßte ihn mit einem festen Händedruck und einem abschätzenden Blick. Sie hätten ein wundersames Paar abgegeben, wenn jemand sie beobachtet hätte, die fünfzigjährige Leuchtboje und der alte sehnige Mann im feinen Sommeranzug. Eisler lächelte dünnlippig, Anatoli hatte keinen Grund, nervös zu sein. Im Gegenteil. Sie setzten sich auf eine bequeme Eckbank unter einen Sonnenschirm, sein Jackett legte er ordentlich gefaltet über die Lehne. Nachdem er einen Drink dankend abgelehnt hatte, waren sie alleine, und Anatoli kam ohne Umschweife zur Sache. Hinter seinem roten Gesicht glitzerte das Mittelmeer von der Sonne, und die seichten Wellen kräuselten sich in der Bucht.
»Wie lief es in Israel?«, fragte der Russe und nippte an einem Pimm’s mit viel Eis. Für einen kurzen Moment ruhten seine Augen auf Eisler, der in diesem Moment begriff, dass dieser Mann nicht nur über einen messerscharfen Verstand verfügte, sondern auch überhaupt keine Skrupel kannte. Der Kontrast zwischen diesen ausdruckslosen Augen und dem bunt-fröhlichen Jetset-Drumherum hätte krasser kaum ausfallen können.
»Zufriedenstellend, MrKharkov. Absolut zufriedenstellend.«
»Also haben Sie das Virus?«
»Es ist kein Virus, Mr Kharkov. Es ist Schadsoftware. Wenn Sie einen griffigeren Ausdruck bevorzugen: ›Wurm‹ trifft es etwas besser.«
»Das weiß ich selbst«, bellte der Russe verärgert. »Und Sie sind sich sicher, dass es der echte ist?«
»Wenn der Mossad-Agent echt war, ist der Wurm es auch … Und glauben Sie mir, Mr Kharkov, ich erkenne einen Agenten, der ein doppeltes Spiel spielt«, stellte er fest und legte sein Telefon in die Mitte des Tisches. Er wusste, dass wiederum der Russe wusste, dass er bis zum Ende der DDR der erfolgreichste Spionageabwehroffizier der Stasi gewesen war, jener Organisation, die noch heute von allen Geheimdiensten der Welt für ihre Effizienz bewundert wurde, auch wenn sie den Staat, den sie hatte schützen sollen, letztlich durch die unglaublichen Kosten in den Ruin getrieben hatte. Der Anteil am Staatshaushalt hatte – alle bei anderen Ministerien versteckten Budgets eingerechnet – am Schluss bei über fünfzehn Prozent gelegen. Ein unglaublicher Kostenfaktor, den der Arbeiter- und Bauernstaat unmöglich hatte weiterführen können, er war unrettbar verloren gewesen, noch bevor die Menschen mit ihren Demonstrationen in Leipzig und Dresden den friedlichen Umsturz eingeläutet hatten. Glücklicherweise galt das nicht für die Offiziere jener Organisation, noch heute gab es Konten, welche die Bundesrepublik nie gefunden hatte. Und es gab neue Arbeit, so auch für Thomas Eisler.
»Daran zweifele ich ja gar nicht, Eisler«, riss ihn Anatoli aus seinen Gedanken. »Ich wusste, dass Sie das schaffen. Ist es da drauf?« Er blickte auf das Telefon in der Mitte des Tisches. Eisler nickte. Anatoli Kharkov nahm das Telefon in die Hand und wog es, wie um seinen Wert zu bestimmen. Dann nickte er anerkennend: »Gut gemacht, Eisler. Sie haben Ihren Bonus verdient. Und Sie fahren weiter nach Berlin, um sich um den Rest zu kümmern?«
»Selbstverständlich, Mr Kharkov. Wie besprochen. In drei Monaten sind wir einsatzbereit. Gesetzt den Fall, dass Ihre Leute das mit dem Wurm hinbekommen.« Thomas Eisler warf einen skeptischen Blick auf das Telefon, das in der riesigen Hand des Russen beinahe verschwand.
»Darüber machen Sie sich keine Sorgen. Ich habe genau den richtigen Mann dafür, und er wird bald so weit sein.«
In dem Moment betraten zwei junge Männer das Sonnendeck in tropfnassen Badehosen. Anatoli winkte sie zu sich und raunte Eisler zu: »Na, was für ein Zufall. Wenn man vom Teuf… Jungs, darf ich euch Thomas Eisler vorstellen? Ein Geschäftspartner aus Deutschland.«
Die beiden Jungs wirkten höflich, wobei der eine deutlich selbstbewusster auftrat als der andere. Er vermutete, dass es sich bei ihm um Anatolis Sohn handelte.
»Das sind mein Sohn Viktor und sein bester Freund Dimitrij. Sie studieren zusammen und sind für das Wochenende rübergeflogen«, bestätigte Anatoli seine Vermutung. Der Sohn und der Freund. So, so. Er gab ihnen höflich die Hand.
»Und was studieren Sie, Dimitrij?«
»Fortgeschrittene Computertechnologie an der MSTU«, antwortete der Junge und
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