Biest: Thriller (German Edition)
dunkelhäutige Geschäftsmann in dunkelgrauem Anzug und hellblauem Hemd klappte seinen Laptop auf. Der feine Stoff seiner Hose rutschte auf dem schwarzen Plastikleder, was ihm unangenehm war. Die hellgrauen Augen der Frau im marineblauen Kostüm irritierten ihn. Sie erinnerten ihn an einen Wolf, obwohl sie aussah wie eine Stewardess oder eine der zahlreichen Geschäftsfrauen auf einem Zwischenstopp in München. Sie sah auf eine natürliche Art attraktiv aus. Ihre muskulösen Beine sprachen für hartes Training und eine Zähigkeit, die er an Frauen schätzte. Vor allem an Frauen, die seine Gegnerinnen waren und mit denen es über kurz oder lang zu einer körperlichen Konfrontation kommen würde. Er freute sich schon jetzt auf sie. Aber er durfte sie auch nicht unterschätzen. Im Gegensatz zu dem Mann an ihrer Seite, den der Algerier für vernachlässigbar hielt. Er strahlte keine Gefahr aus, sein ganzer Habitus ließ auf einen unbeteiligten Zivilisten schließen, der zufällig zwischen die Fronten geraten war. Der Algerier hatte nur Augen für seine Begleiterin, und bei seiner unbedarften Fröhlichkeit hatte der Mann an ihrer Seite garantiert keine Ausbildung für ihr Spiel aus Täuschen, Verfolgung und Angriff.
Der Algerier öffnete eine PowerPoint-Datei, die er für solche Zwecke vorbereitet hatte. Sie zeigte die Verkaufspräsentation einer Mediaagentur, etwas, für das sich niemand wirklich interessierte. Und natürlich gab es die Mediaagentur tatsächlich, sie gehörte zu einem internationalen Netzwerk mit großen Büros in mehreren Ländern, was seine Anwesenheit auf nahezu jedem europäischen Flughafen erklärte. Das Logo hatte er einfach von ihrer Internetseite in seine Präsentation kopiert. Über den schwarzen Rand seines Bildschirms beobachtete er, wie sich die beiden verabschiedeten. Er saß mehrere Reihen von ihnen entfernt, die beiden nahmen keine Notiz von einem gestressten Vielflieger. Natürlich nicht. Warum verabschiedeten sie sich? Sein größtes Risiko in diesem Moment bestand darin, dass sie sich trennten und nur der Mann nach Amsterdam eincheckte. Er war davon ausgegangen, dass sie beide in die Niederlande flogen, seine Bordkarte hatte er bereits in der Tasche. Falls die Frau ein anderes Ziel hatte, würde er ein neues Ticket kaufen müssen, und dafür wurde möglicherweise die Zeit knapp. Als Vorsichtsmaßnahme loggte er sich schon mal mit der App auf seinem Handy bei der deutschen Lufthansa ein. Ticketverkauf. Keine Airline bot mehr Flüge von München an. Ein weiterer Blick über den Rand des Bildschirms. Sie hielten sich etwas zu lang in den Armen. Sie hatten eine Beziehung, auf die eine oder die andere Art. Für den Algerier waren solche Informationen wichtig, sie konnten über Leben und Tod entscheiden. Der Begleiter löste sich von ihr mit einer Berührung an der Wange. Als sich die Brünette mit dem Rücken zu ihm wieder auf ihren Platz setzte und ihr Ticket herauszog, sah er den kleinen Aufkleber eines aufgegebenen Gepäckstücks. Ein weiteres Problem weniger. Zufrieden schloss er die App der Airline auf seinem Handy und widmete sich wieder seiner Präsentation.
KAPITEL 66
Amsterdam, Niederlande
14. Februar 2013, 17.44 Uhr (drei Stunden später)
Auf dem Flughafen Schiphol ärgerte sich Solveigh wieder einmal über die scheinbar unbelehrbaren Touristen, die sich möglichst dicht an den Rand des Gepäckbands pressten wie Kinder an die Theke einer Eisdiele, anstatt etwas weiter hinten auf ihren Koffer zu warten, um so Platz für alle zu lassen. Sie sah auf die Uhr. Es war kurz vor fünf, und wenn sie es rechtzeitig zur Lagebesprechung in die Zentrale schaffen wollte, hatte sie nicht mehr viel Spielraum. Sie betrachtete die Werbung einer Autovermietung, die ein Cabrio mit schönen Frauen zu einem besonders günstigen Preis bewarb, als sich das schwarze Gummiband endlich in Bewegung setzte. Sie versuchte durch die dicht gedrängte Menschenmenge einen Blick auf den schwarzen Schlund zu erhaschen, aus dem in wenigen Sekunden die ersten Gepäckstücke auf das Band fallen sollten, und gab schließlich seufzend auf. Als sie etliche dunkle Koffer, einige bunte und weniger Rucksäcke später ihren eigenen entdeckte, musste sie sich zwischen einem streitenden Ehepaar hindurchzwängen, das seinen sperrigen Gepäckwagen quer zum Fließband geparkt hatte. Sie warf ihnen einen giftigen Blick zu, als sie den Griff einrasten ließ. Nach wenigen Schritten Richtung Taxistand beschlich sie ein ungutes
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