Biest: Thriller (German Edition)
schlicht.
»So viel zur Wirksamkeit Ihrer Waffe. Sie haben Glück, dass ich Ihrem Urteilsvermögen nicht hundertprozentig vertraut habe«, bekannte er. »Wollte er sie vergewaltigen?«
»Zumindest nicht nur«, sagte Solveigh und versuchte aufzustehen. Wayne bot ihr seinen Arm als Stütze und sammelte ihr Handy und ihre Waffe ein.
»Wollen Sie Anzeige erstatten? Wenn Sie möchten, fahren wir zum nächsten Polizeirevier.«
Solveigh schüttelte den Kopf: »Nein, das führt zu nichts. Der Mann war ein eiskalter Profi, nicht einfach ein Vergewaltiger.« Ächzend richtete sie sich auf, nahm Wayne die Jericho ab und steckte sie zurück in das Holster. Das Laufen fiel ihr immer noch schwer, aber sie würde sich wieder berappeln. Augenscheinlich war sie nicht ernsthaft verletzt, sie war noch einmal mit dem Schrecken davongekommen.
»Okay, aber Sie können jetzt nicht ins Hotel. Sie schlafen bei mir, ich habe ein Gästezimmer. Es ist ein wenig unordentlich, aber dafür sicher.«
Solveigh nickte dankbar: »Ja, vielleicht wäre das sogar eine gute Idee«, sagte sie. »Und ich glaube, ich brauche noch einen Drink. Haben Sie zu Hause was zu trinken, Detective Inspector?«
»Ich denke schon, Solveigh. Und jetzt lassen Sie uns gehen. Für heute haben wir, denke ich, beide genug.«
KAPITEL 72
London, England
02. März 2013, 09.31 Uhr (am Morgen danach)
Als Solveigh am nächsten Morgen aufwachte, dröhnte ihr der Schädel, als würde die Caterpillar-Weltmeisterschaft der Baumaschinen darin ausgetragen. Sie schlug die Augen auf und versuchte sich an gestern Abend zu erinnern. Das Abklappern der Restaurants mit Wayne. Der Barolo. Der Überfall. Die Hand zwischen ihren Beinen. Solveigh schauderte. Dann Wayne. Erschrocken blickte sie sich um. Ein winziges Zimmer, mit hellem Holz vertäfelte Wände. Ein Schrank, weiß lackiert, Landhausstil eines Möbelhauses mit gelb-rotem Katalog und Sonderpreisen. Rosamunde-Pilcher-Deko ohne die Rosenhecken und Millionärsvillen. Aber nicht ungemütlich und durchaus charmant. Eine grüne Wolldecke. Ein altmodisches Nachttischlämpchen. Sehr ordentlich. Sehr behaglich. Sie rieb sich mit den Händen über das Gesicht und betastete ihren Hals. Das Schlucken tat weh, aber bis auf ein paar Quetschungen schienen keine ernsthaften Verletzungen zurückgeblieben zu sein. Über ihre Zunge hingegen kroch ein unerträglicher Pelz, von dem ihr selbst ganz übel wurde. Scharfer Alkohol, Gin vermutlich, Whiskey mindestens. Was war passiert, nachdem Wayne den Angreifer in die Flucht geschlagen hatte? Langsam, wie ein erwachendes Faultier, kehrten ihre Erinnerungen zurück. Waynes Couch, rot geblümt, die nebenan stehen musste. Der dreifache Whiskey. Seine Fragen nach der ECSB. Hatte sie zu viel erzählt? Vermutlich. Hatte er sie nur mitgenommen, um sie auszufragen? Unwahrscheinlich. An seine Sorge um sie erinnerte sie sich noch ganz gut. Sie setzte sich auf und streckte den Rücken, woraufhin ihr ein starker Schmerz zwischen die Wirbel fuhr. Ihre Klamotten lagen, säuberlich zu einem Stapel gefaltet, auf einem Holzstuhl neben dem Bett. Der Trenchcoat hing auf einem Bügel am Schrank. Was war gestern Abend passiert? Hatten sie …? Sie stellte sich seinen roten Mund auf ihren Lippen vor und wie sie ihm den Pullunder auszog. Sie hatten nicht. Unvorstellbar, egal, nach wie viel Whiskey. Solveigh atmete auf. Die Jericho lag in ihrem Schulterholster zuoberst auf ihrer Bluse. Mechanisch prüfte sie die Waffe. Das Magazin war weg. Seine Sorge um sie war echt. Vorsichtig setzte sie einen Fuß aus dem Bett. Sie trug ein Nachthemd, das ihr viel zu groß war. Unsicher und noch leicht benommen, schwankte sie ins Wohnimmer. Das Blümchensofa. Und die Überreste der letzten Nacht. Sowie eine Frau, die gerade im Begriff war, diese zu beseitigen. Die Flaschen in ihrer Hand klirrten gegeneinander, als sie sich zu Solveigh umdrehte. Sie war Mitte 40, ziemlich attraktiv für ihr Alter und lächelte sie an. So eine Frau hätte sie dem biederen Detective Inspector gar nicht zugetraut.
»Sie müssen Solveigh sein«, begrüßte sie sie. »Ich bin Maude, Waynes Frau.« Sie streckte ihr die Hand entgegen, während in der anderen die Flaschen klirrten. Dann machte sie Solveigh Frühstück.
Eine Stunde später und um eine Dusche und Maudes Lebensgeister weckende Eierkuchen reicher, trat Solveigh auf die Straße in dem Londoner Vorort und blinzelte in die Sonne.
»Ihre Frau ist wirklich ein Schatz«, sagte sie zu Wayne, als er den
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