Biest: Thriller (German Edition)
sie Feierabend machen.« Vom Fahrersitz aus warf ihr Dominique einen tadelnden Blick zu.
Während der zwanzigminütigen Fahrt durch die Prager Nacht, um Jiri bei seiner Privatwohnung abzusetzen, versuchte Solveigh sich darauf zu konzentrieren, was vor ihnen lag. Das größte Problem in ihrem Geschäft war, dass man nicht wusste, was kommt. Soldaten trainieren auf eine bestimmte Situation, einen Einsatz. Aber ihr Gegner war keine Konstante, auf deren Handeln man sich einstellen konnte. Er schlug Haken, tat etwas vollkommen anderes. Und so saß Solveigh in ihrem Sitz, die Hand an der Jericho, die jetzt wieder in ihrem Schulterholster steckte, und wartete. Fünf Minuten. Sechs Minuten. Acht Minuten.
»Motorrad, schnell näher kommend aus 12.00 Uhr«, meldete der vorausfahrende Wagen. Dominique starrte konzentriert durch die Frontscheibe, während Solveigh tief einatmete. Erwarte das Unerwartete. Nur dafür bist du da. Dafür bist du ausgebildet. Denk daran, Slang. Plötzlich hörte sie die quietschenden Reifen eines wendenden Fahrzeugs und dann das Aufröhren eines Motorrads. Er kam. Dominique gab Gas, wie es jeder gute Fahrer in dieser Situation machen würde.
»Was ist mit dem Back-up?«, fragte Dominique.
Als die Nachhut den Sprechfunk aktivierte, hörte Solveigh lautes Hupen. Entspann dich, Solveigh, denk nur an das, was nicht passieren kann.
»Krähenfüße«, schrie der Fahrer über den Sprechfunk. Kein Back-up. Das Motorrad kam näher. Dominique drückte aufs Gas, und der schwere Wagen schoss nach vorne, aber gegen eine Rennmaschine hatte er keine Chance. Denk an deinen Trumpf, Solveigh. Denk an den Moment. Es war alles geplant, auch das hier. Wir wussten, dass er gut ist. Aber wir wussten auch, dass wir besser sind. Sie hoffte inständig, dass sie sich darin nicht getäuscht hatten. Wie vereinbart, hielt Dominique den Wagen so gerade wie möglich, ohne die Geschwindigkeit zu verringern. Wann immer er die Spur wechseln musste, achtete er darauf, möglichst schnell wieder auf die rechte zu kommen. Solveigh hörte das Motorrad hinter ihrem Wagen, es kam näher. Sein Motorengeräusch wurde dringlicher, aber weniger aggressiv. Die Pirsch. Er gab langsam Gas, schob sich an sie heran. Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig. Sie hörte das Motorrad genau neben dem linken Fenster, an dem Jiri saß. Sie sah nicht aus dem Fenster, vermutlich aktivierte er gerade jetzt den Zünder der Bombe und bereitete sich darauf vor, ihn von außen an die Wagentür zu heften. Genauso wie bei den Attentaten in Teheran. Die alle erfolgreich gewesen waren. Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig. Jetzt. Mit einer einzigen schnellen Bewegung presste sie den Staatsanwalt auf den Sitz, schrie: »Runter!« und richtete die Jericho auf das Fenster, wo sie den Attentäter vermutete. Eine gesichtslose Fratze von Helm starrte sie an, verspiegelt und schwarz vor dem dunklen Himmel der Nacht. Sie hatte keine Zeit. Beinahe glaubte sie, das Gesicht hinter dem Visier lächeln zu sehen, als er ihre Pistole bemerkte. Kugelsicheres Glas funktioniert in beide Richtungen. Der Mann auf dem Motorrad griff in die Tasche, die er um den Bauch geschlungen hatte, und zog ein Paket hervor. Aber nicht dieses kugelsichere Glas, Thanatos, dachte Solveigh und drückte ab. Der Schuss knallte unglaublich laut in dem engen Innenraum des Wagens, sodass ihre Ohren klingelten. Dann zerbarst die Scheibe in tausend kleine Splitter. Solveigh glaubte noch, einen Anflug von Überraschung hinter dem Visier zu erkennen, als ihre erste Kugel den Helm durchschlug. Die zweite traf nur Bruchteile von Sekunden später die Brust und riss den leblosen Körper von der schweren Maschine. Sie hatte ihn getroffen. Aber war er auch tot? Betäubt von dem Lärm, hörte Solveigh wie in Trance, dass auf ihrem Handy eine Nachricht für sie eingegangen war.
KAPITEL 8
Moskau, Russland
14. September 2012, 22.28 (zur selben Zeit)
Dimitrij nippte an seinem Wodkaglas und beobachtete, wie Viktor auf der Couch gegenüber wieder einmal große Reden schwang. Maja hing wie üblich gebannt an seinen Lippen, und er musste ja zugeben, dass Viktor gut erzählen konnte. Gerade gab er wieder einmal die Story zum Besten, wie er eine Gruppe Touristen auf einer Kajaktour mit seinem Jetski beinahe zum Kentern gebracht hätte. Natürlich hatte auch ihm der Kurzurlaub Spaß gemacht, von seinen finanziellen Mitteln hätte er sich nicht einmal träumen lassen, jemals wie die Reichen und Schönen in Saus und Braus
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