Biest: Thriller (German Edition)
Telefon in die Kissen warf und aufsprang. Marcel hechtete dem Gerät hinterher und landete bäuchlings auf dem Bett. Das Display war noch eingeschaltet. Hektisch versuchte er herauszufinden, was Yael damit gemacht hatte. Er suchte in seinen E-Mails, aber er fand seinen Posteingang unverändert vor. SMS: nichts. Bilder: keine Änderung. Die letzte Möglichkeit war zugleich die unwahrscheinlichste. Er scrollte durch zwei Seiten mit Programmen, bis er das kleine Icon gefunden hatte: ein stilisierter goldener Pfeil auf schwarzem Grund: das Logo der ECSB, des European Council Special Branch, das Programm, mit dem er mit Solveigh über eine verschlüsselte Leitung Nachrichten austauschen konnte.
»Nein«, sagte er leise. »Wofür hast du mich benutzt? Was bist du?«
Yael trat neben das Bett. Sie hatte das rote Kleid wieder angezogen und schloss gerade die Schnalle ihres linken Schuhs. Sie gab ihm keine Antwort. Marcel rief das Programm auf und gab sein Passwort ein. War es möglich, dass sie es wusste? Nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unmöglich. Marcel schwante Übles. Sobald das Programm geladen war, wählte er das Protokoll mit den Nachrichten zwischen ihm und Solveigh. Es war leer und seine digitale Signatur gelöscht. Stumm drehte er sich zu ihr um. Sie stand im Türrahmen seines Hotelzimmers, ihr Blick unlesbar.
»Warum hast du das getan, Yael?«, fragte er leise. Seine Wut war Zorn gewichen. Sie hatte die ganze Zeit ein doppeltes Spiel mit ihm gespielt.
»Weil ich eine Spionin bin, Marcel.« Sie senkte den Blick. »Dein Telefon wird übrigens nicht mehr funktionieren, ebenso wenig wie das vom Hotel. Und es tut mir leid, ehrlich.«
Ohne noch einmal aufzublicken, drehte sie sich um, verließ das Zimmer und drückte die Tür sanft von außen in das Schloss.
KAPITEL 7
Prag, Tschechische Republik
14. September 2012, 07.58 Uhr (am nächsten Tag)
Agent Solveigh Lang betrat um acht Uhr morgens die deutsche Botschaft in Prag und verließ sie über zehn Stunden später als neuer Mensch. Ihr Aussehen hatte sie nicht einmal großartig verändern müssen, um als Dr. Andrea Falk durchzugehen. Auch der Wirtschaftsattaché hatte dunkle Haare wie sie, lediglich die leichte Welle hatte sie herausföhnen müssen, und zwei grüne Kontaktlinsen verbargen ihre auffälligen, hellgrauen Augen. Was für ein Glück, dass mich Thanatos in Athen niemals ohne Verkleidung zu sehen bekommen hat, dachte Solveigh, während sie in die große Limousine stieg, die vor dem Tor auf sie gewartet hatte. Es handelte sich um ein spezielles Fahrzeug, das die ECSB vor diesem Einsatz bei einer sehr teuren, aber dafür sehr effektiven Firma in Gstaad hatte umbauen lassen. Zwar besaß es keine aufregenden Gimmicks, die geeignet wären, die Herzen von Special-Effects-Fans höher schlagen zu lassen, aber sie hatten zumindest eine Chance, wenn er sie im Auto angriff.
»Fahr los, Dominique«, sagte sie, nachdem die Tür mit einem satten Klack ins Schloss gefallen und ein Magnetmechanismus sie verriegelt hatte.
»Geht klar, Ma’am«, grinste Dominique Lagrand vom Fahrersitz. Wieder einmal überlegte Solveigh, ob es ein Fehler war, ihn an dieser Operation teilnehmen zu lassen. Schließlich hatte ihm der Mann, den sie jagten, beide Beine zertrümmert, und die Firma in Gstaad hatte den Wagen auch noch behindertengerecht ausbauen müssen, aber Will meinte, das war es wert. Für ihn. Für ihren Freund und Kollegen. Solveigh wusste aus eigener Erfahrung, wie wichtig es sein konnte, durch Mitwirkung zu verarbeiten. Schließlich war es sowieso Wills Entscheidung, und die würde sie hundertprozentig mittragen.
Die Limousine glitt durch die Innenstadt von Prag und stoppte ohne besondere Vorkommnisse unterhalb der Treppe des Justizministeriums. Das hochherrschaftliche Gebäude lag hell und freundlich in der untergehenden Sonne, und ihr Gesprächspartner wollte sie offenbar nicht warten lassen, denn er eilte mit seinen zwei Leibwächtern im Schlepptau in Richtung ihres Wagens. Es würde den beiden nicht schmecken, dass er bei ihr einstieg, aber so lautete die Verabredung, die sie mit dem Innenministerium getroffen hatten. Und wie immer, wenn sie für die EU ermittelten, war diesem einfachen Kompromiss ein schier endloser bürokratischer Aufwand vorangegangen. Einer der Bodyguards hielt den Schlag offen, während der Staatsanwalt neben ihr auf das kalte Leder glitt. Er wirkte nervös, und Solveigh konnte es ihm nicht verdenken.
»Guten Abend, Jiri, wie geht
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