Big Bad City
sie waren noch im Dienst, und man wußte nie, wer irgendwo anrufen und mal eben durchgeben würde, daß zwei Cops um eins, halb zwei mittags ein Bierchen tranken. Das Restaurant war innen wie ein typisches Steakhaus eingerichtet, überall Mahagoni und Messing und grüne Ledersitze und Zinnkrüge an Haken an den Wänden. Wenn das Essen so schmeckte, wie das Restaurant aussah, hatte Carella vielleicht wirklich eine Entdeckung gemacht. Er mußte gegen die Versuchung ankämpfen, darum zu bitten, eine Speisekarte mit nach Hause nehmen zu dürfen.
»Die Band hatte keinen Leader, nicht wahr?«
»Richtig. Wir haben all unsere Entscheidungen per Abstimmung getroffen. Wir standen uns nämlich sehr nah. Es ist wirklich eine Schande.«
»Was?«
»Na ja, zuerst steigt Katie aus. Und dann bricht die Band auseinander, und letzten Monat ist Alan gestorben. Und natürlich Sal.«
»Was ist mit Sal?«
»Na ja … ich schätze, ich sollte Ihnen das eigentlich nicht sagen…«
Carella nickte. Nicht bestätigend, sondern um ihn zu ermutigen.
»Aber bei der Beerdigung letzten Monat hat er Kokain genommen.«
»Crack?« fragte Brown.
»Nein, das richtige Zeug, das weiße.«
»Und Sie haben das gesehen?«
»Allerdings. Na ja, es hätte mich nicht überraschen dürfen. Schon damals hat er Pot geraucht.«
»Damals?«
»Auf der Tournee. Vor vier Jahren.«
»Das ist doch normal, oder?« fragte Carella. »Daß Musiker ein wenig Pot rauchen?«
»Das war nicht ein wenig Pot. Er hat Tag und Nacht geraucht. Ich dachte nur nicht, es würde eskalieren.«
»Katie Cochran hat kein Dope geraucht, als sie bei Ihnen gesungen hat?« fragte Brown.
»Nein, Sir. Sie kam aus einer guten Familie in Philadelphia. Ihr Vater hat an der Temple University Politologie gelehrt. Ihre Mutter war Psychiaterin. Nach allem, was sie uns erzählt hat, ging es ihnen sehr gut. Ich habe nie auch nur Rauschgift bei ihr gesehen.«
»Was ist mit Ihnen?«
»Pot, klar. Aber mehr nicht.«
»Wohin ist sie gegangen?« fragte Carella. »Als sie aus der Band ausstieg?«
»Ich glaube, das hat sie uns allen gesagt. Wenn ich mich recht entsinne, haben wir gerade besprochen, was wir im Herbst machen würden, als sie uns mitteilte, daß sie aufhören wird.«
»Hat sie Ihnen einen Grund dafür genannt?«
»Sie hat nur gesagt, das sei nicht das richtige Leben für sie.«
»Hat sie gesagt, sie wolle zum Orden zurückkehren?«
»Wir haben gar nicht gewußt, daß es einen Orden gab, zu dem sie zurückkehren konnte. Sie hat nicht einmal erwähnt, daß sie mal Nonne war.«
»Also hat sie einfach gesagt, das sei nicht das richtige Leben für sie.«
»Vielleicht nicht mit genau diesen Worten, aber darauf lief es hinaus.«
»Hat sie gesagt, was ihr an diesem Leben nicht gefiel?«
»Nein. Bis dahin dachte ich, sie sei rundum zufrieden damit.«
»Wann war das, Mr. Farnes? Wann hat sie es Ihnen gesagt?«
»Direkt nach dem Labor Day, dem ersten Montag im September. Wir hatten die Tournee gerade hinter uns gebracht, waren wieder hier in der Stadt. Der letzte Teil der Tour war wirklich toll gelaufen, besonders unten in den Everglades. Wir spielten in einer Kleinstadt namens Boyle’s Landing, etwas südlich von Chokoloskee. Der Schuppen gehörte einem Mann namens Charlie Custer. Er hatte ihn The Last Stand genannt, einerseits wegen seines Namens, Sie wissen schon, Custers letztes Gefecht, andererseits weil es das letzte Wasserloch war, bevor man in die Sümpfe stürzte. Sein Laden brummte so richtig. Wir haben jeden Abend vor vollem Haus gespielt. Was am Rand der Wildnis wirklich nicht ganz einfach war…«
Boyle’s Landing befindet sich am nördlichsten Rand des Nationalparks. Der größere Teil der Stadt liegt am Golf von Mexiko. Der Rest breitet sich planlos in Richtung auf ein landeinwärts liegendes Sumpfgebiet aus, in dem es vor wilden Tieren nur so wimmelt, eine Art Vorbote der noch wilderen Everglades selbst. Custer hat sein Lokal mit der Rückseite zum Sumpf gebaut, der Eingang liegt an der Route 29, einer Nebenstraße, die von Ochopee durch Everglades City und Chokoloskee führt und dann in Boyle’s Landing endet. Abend für Abend muß die Band gegen den Lärm der »Sumpfviecher« ankämpfen, wie Charlie Custer sie nennt, der Vögel, Frösche und Insekten, die am Fluß und im Sumpfgebiet leben. Dort gibt es große weiße Reiher und kurzschwänzige Falken und Flamingos. Und Alligatoren.
Die Alligatoren machen keinen Lärm.
Aber man weiß, daß sie im Wasser hinter
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