Big Sky Country - Das weite Land (German Edition)
„Ja?“
„Schönen Dank auch, dass du den Preis für den Wallach hochgejagt hast“, sagte Slade ganz ruhig.
„Gern geschehen.“ Hutch grinste. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass du das Rennen mit ihm gewinnst, oder?“
„Ich habe jedenfalls vor, es zu versuchen. Verlass dich drauf.“
Hutch lachte, schüttelte kurz den Kopf und ging.
Slades Kinnpartie wirkte hart wie Granit, als er Hutch im Schatten der Tribüne verschwinden sah.
Joslyn, die aus dem Augenwinkel gesehen hatte, dass Shea und Jasper auf sie zuliefen, blieb, wo sie war, und ließ Slade nicht aus den Augen.
Endlich schaute er sie an.
„Wir treffen uns beim Wagen“, erklärte er so schroff, dass sie es beinahe als eine rüde Abfuhr empfand. Im nächsten Moment war er schon auf dem Weg ins Büro, um die Pferde zu bezahlen.
Shea kam strahlend auf Joslyn zu. Jasper trabte fröhlich hinter ihr her. „Ich habe mit meinem Handy Tausende Fotos von Chessie gemacht“, verkündete sie, „und sie allen Leuten geschickt, die ich kenne. Sogar Mom und Bentley.“
Joslyn lächelte. Sie war froh, dass die Lage sich wieder normalisiert hatte und Hutch und Slade sich nicht mehr benahmen wie zwei Revolverhelden kurz vor dem großen Duell auf staubiger Straße. „Mir gefällt der Name, den du ihr gegeben hast“, sagte sie. „Sie sieht mit ihrem kastanienroten Fell wirklich schön aus.“
„Danke. Aber es ist nicht wegen der Farbe. Chessie ist eine Abkürzung für ‚Cheshire‘. Du weißt schon, wie die Grinsekatzein ‚Alice im Wunderland‘.“ Sie schwieg kurz und sah sich um. „Wo ist Dad? Er hat mir versprochen, dass wir auf dem Heimweg etwas essen. Außerdem erwartet Grands mich um zwei Uhr im Salon zurück.“
„Dein Dad ist im Büro. Er hat vorgeschlagen, dass wir beim Pick-up auf ihn warten sollen.“
Shea nickte und marschierte mit Jasper zum Parkplatz. Joslyn musste sich anstrengen, um mit den beiden Schritt zu halten. Shea war zwar nicht sehr groß, doch sie hatte lange Beine und ging schnell.
„Natürlich würde ich viel lieber einen Ausflug machen, als im ‚Curly-Burly‘ Haare zusammenzufegen und Termine in den Kalender einzutragen“, fuhr das Mädchen fort. Sie hielt Jasper die Autotür auf, damit er vor ihr auf den Rücksitz springen konnte. „Aber Job ist nun mal Job, und für Dad ist Verlässlichkeit wahnsinnig wichtig.“
„Tja“, erwiderte Joslyn trocken, während sie sich auf den Beifahrersitz setzte, „Verlässlichkeit ist ja tatsächlich eine ziemlich wichtige Eigenschaft.“
Der Teenager, dessen Gesicht Joslyn im Rückspiegel sehen konnte, besaß den Anstand, nicht genervt die Augen zu verdrehen. „Aber Verlässlichkeit ist nicht alles “, sagte sie leichthin. „Außer natürlich für meinen Dad.“
Joslyn fiel wieder Hutchs gemeiner Seitenhieb auf Slades Berechenbarkeit ein. Abgesehen von Kendra war Hutch während der gesamten Highschoolzeit ihr engster Freund gewesen. Er hatte auch dann noch zu ihr gehalten, als die anderen Kinder in ihrer Clique wegen Elliotts Machenschaften nicht mehr mit ihr geredet hatten.
Trotzdem hatte sie – zumindest heute – große Lust, Hutch Carmody eigenhändig zu erwürgen. Er hatte Slade nicht nur unnötig provoziert, sondern auch noch diese Bemerkung wegen der ‚Reitstunden‘ fallen lassen. Dabei hatte er die Worte ‚wieder mal‘ extra betont, um seinen Halbbruder wissen zu lassen, dass … Tja, was?
„Joslyn?“ Shea riss sie unsanft aus ihren Gedanken.
Joslyn drehte sich um und blickte das Mädchen erwartungsvoll an.
„Du und mein Dad … Schlaft ihr miteinander?“
Nachdem Slade einen – üppigen – Scheck für die Pferde ausgestellt hatte, ging er zurück zum Pick-up. Seine Wut über die Auseinandersetzung mit Hutch, die beinahe eskaliert war, war wieder verraucht. Trotz des ausgiebigen Frühstücks – Rührei, Toast, Bratkartoffeln und Schinken –, das Opal zubereitet hatte, machte sich nun langsam sein Magen bemerkbar.
Er stieg in den Pick-up und steckte den Schlüssel in das Zündschloss. Dann fiel ihm auf, dass sowohl Shea als auch Joslyn ungewöhnlich still waren.
„Alles in Ordnung?“ Er sah erst Shea an, die neben dem dösenden Jasper irgendein Spiel auf ihrem Handy spielte, dann Joslyn.
Sie war ziemlich rot im Gesicht und starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe.
Slade seufzte. „Hört mal“, meinte er resigniert, „wir fahren nirgendwohin, ehe mir nicht jemand erzählt hat, warum die Atmosphäre in diesem Auto so eisig wie in
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