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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Professor setzte zu einer Erklärung an, daß es sich hier um einen Streikposten handelte, dann verstummte er und las die Teamsters-Karte. Als er einen Schritt zurücktrat, nach oben schaute und den Hals verdrehte, konnte er nur schwarzes, mit Pomade nach hinten gekämmtes Haar und die linke Linse einer verspiegelten Sonnenbrille sehen.
    »Großartig!« sagte der Professor. »Schön, daß Sie mit uns anderen Arbeitern solidarisch sind. Finden Sie ohne Problem wieder hier raus, oder soll ich Ihnen eine Wegbeschreibung geben?« Er lächelte der linken Linse der Sonnenbrille des Fahrers zu und versuchte, ein hartes Lächeln daraus zu machen, kein kultiviertes Memmenlächeln.
    »Sie AFL-CIO«, knurrte der Truckfahrer und hörte sich an wie ein unrunder Zylinder im Leerlauf des großen Diesels. »Ich Teamster. Ich bin spät dran.«
    Der Professor bewunderte die unverblümte Ausdrucksweise des einfachen Volkes, spürte aber, daß ihm hier eine Botschaft entging, die der Truckfahrer ihm vermitteln wollte. Er sah sich nach einem anderen Arbeiter um, der sie vielleicht verstehen konnte, stellte jedoch fest, daß alle anderen Mitstreikenden im Umkreis eines Schrotflintenschusses um den Lastwagen herum ebenfalls Professorentitel hatten. Von denen kam einer mit ungeduldiger Miene zu dem Truck gelaufen. Es handelte sich um einen leicht graumelierten Mann Anfang vierzig, der in Absprache mit seinem Orthopäden entschieden hatte, daß die Gangart, die seine Knie am wenigsten belastete, ein schlurfender Laufschritt mit an den Seiten hinabhängenden Armen war. Auf diese Weise näherte er sich dem Lastwagen. »Kehren Sie um, Mann, dies ist ein Streik. Sie durchbrechen eine Streikpostenkette.«
    Es ertönte ein weiteres Grollen aus dem Fenster des Trucks. Dieses hörte sich mehr nach Gelächter als nach Worten an. Der Truckfahrer nahm die Hand einen Moment weg, dann schwang er sie wieder heraus wie eine Abrißbirne. Auf dem Zeigefinger balancierte er eine Vierteldollarmünze. »Sehen Sie das?« fragte der Fahrer.
    »Ja«, antworteten die Professoren einstimmig.
    »Das ist ein Vierteldollar. Wenn ich den in das Münztelefon da drüben stecke, dann schwimmt der Boden von Blut.«
    Die Professoren sahen einander an, dann den dritten Professor, der gerade ruckartig mit seinen Moonboots stehengeblieben war. Sie wichen alle ans andere Ende des Platzes zurück, um über Theorie und Praxis zu diskutieren, während der Lastwagen zur Laderampe fuhr. Sie sahen dem Fahrer zu, wie er seine hundert Kilo schweren Fleischballen ins Lagerhaus trug und kamen überein, daß eine politische Entscheidung auf höherer Ebene getroffen werden sollte. Die wahren Ziele dieser Absperrung sollten die Streikbrecher sein, die im Lagerhaus und in der Mensa arbeiteten. Alle Kroatobaltoslowenen waren ins Innere gegangen, und die Professoren, die sich nur mit den sterblichen Überresten von mehreren Dutzend Ochsen allein auf dem Platz befanden, faßten den Entschluß, sich ins Innere des Plex zurückzuziehen.
    Dort ging es deutlich lauter zu. Leute, die nie Gewalt anwenden, reden schnell darüber, besonders wenn ihre Gesprächspartner ältere Griechischprofessoren sind, die vermutlich keine Fahrradketten oder Messer bei sich tragen. Natürlich passierte den Griechischprofessoren, die versuchten, die Streikposten in sokratische Dialoge zu verwickeln, als sie die Streikpostenkette durchbrachen, nichts Schlimmeres als ein vereinzeltes Schubsen. Unter den jüngeren Akademikern jedoch kam es zu richtigen Schlägereien. Ein Monetarist aus Connecticut schlug schließlich auf einen algerischen Maoisten ein, mit dem er in verbitterten Artikeln eine öffentliche Diskussion führte, seit sie sich als Doktoranden ein Arbeitszimmer geteilt hatten. Dieser Kampf entpuppte sich als die langwierige Variante, wie sie die libidinösen Söhne von Zahnorthopäden in vorstädtischen Videospielhallen ausfochten. Der Monetarist versuchte, die Absperrung um den Block der Wirtschaftswissenschaftler zu durchbrechen und hatte sich nur zufällig die Stelle in der Menschenkette dazu ausgesucht, wo der Maoist stand. Nach einigem Schubsen fiel der Monetarist hin, und der Algerier landete auf ihm. Sie standen auf, worauf der Monetarist einige Kicks versuchte, die er in einem Video über Aerobic gesehen hatte, verfehlte seinen Gegner aber. Der Maoist riß sich den Designergürtel vom Leib und ließ die Schnalle über dem Kopf kreisen, als wäre sie eine gefährliche Waffe. Der Monetarist sah

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