Big U
unentschlossen zu, dann lief er los und streckte den Arm aus, so daß sich der Gürtel darum wickelte. Da er die Augen geschlossen hatte, sah er nicht, wohin er lief, rammte jedoch, wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt, den Bauch des Algeriers mit dem Kopf, so daß sie auf einen Stapel von Streikplakaten fielen und sich geringfügige Verletzungen zuzogen. Der Algerier packte den Monetaristen an seiner AdamSmith-Krawatte und versuchte, ihn zu erwürgen, doch die goldene Krawattennadel des letzteren verhinderte, daß der Knoten zugezogen werden konnte. Er packte die nur aus Naturfasern bestehende sandfarbene Hose des Maoisten und zog sie bis zur Mitte der Oberschenkel herunter, worauf sein Kontrahent einen seltsam erstickten Schrei ausstieß und eine Hand von der Adam-Smith-Krawatte nahm, damit er dem Verlust weiterer Kleidungsstücke vorbeugen konnte; der Monetarist ergriff den kleinen Finger des Algeriers und riß die andere Hand weg. Als sie feststellten, daß sie mittlerweile auf der anderen Seite der Reihe der Streikposten angelangt waren, stand er auf und schleppte sich davon, aber der Maoist schlug mit einem Schild nach seinem Fuß und behinderte ihn erheblich.
Studenten, die Vorlesungen im ROTC-Block besuchen wollten, stellten fest, daß sie nur vorgebliche Kung-Fu-Kampfstellungen einnehmen mußten, damit ihnen die schlaksigen, blassen Fanatiker dort aus dem Weg gingen. Ansonsten machten sich die Studenten, die Vorlesungen von nicht gewerkschaftlich organisierten Professoren besuchten, lediglich über Verbalinjurien Gedanken. Wenn sie nicht gerade aggressiv unausstehlich waren wie Ephraim Klein, bestand keine Gefahr für Leib und Leben. Ephraim nahm enorme Umwege auf sich, um die Streikposten zu passieren, und stieß dabei ehrfurchtgebietende Beschimpfungen aus, die er offenbar seit Jahren aufgespart hatte. Zu seinem Glück verbrachte er die meiste Zeit in der Umgebung des Philosophie-Blocks, wo die wenigen streikenden Professoren ihre Zeit damit verbrachten, daß sie Zigaretten rauchten, einander dreckige Witze erzählten und über Baseball fachsimpelten.
Am Eingang zur Mensa herrschte das Chaos. Die MegaGewerkschaft konnte sich nie einigen, wie man vorgehen sollte, denn ließ man Studenten hinein, unterstützte man damit S. S. Krupps Streikbrecher, riegelte man die Mensa jedoch ab, ließ man die Studenten verhungern. Und wenn man Studenten Mahlzeiten vorenthielt, die sie bereits bezahlt hatten, machte man sich damit keine Freunde. Schließlich ermunterte man die Studenten, als Ausdruck ihrer Unterstützung selbst zu kochen. Um den Eindruck von Plausibilität zu erwecken, unternahm man einige Anstrengungen, um Essen aus den Lagerhallen der Mensa zu stehlen, doch das führte zu nichts. Die Radikalen traten dafür ein, daß man die Küche mit Gewalt erobern sollte, aber sämtliche Eingänge wurden von Männern eines privaten Wachdiensts geschützt, die mit Schlagstöcken, dunklen Sonnenbrillen und ominösen Wülsten unter den Jacken ausgerüstet waren. Aus diesem Grund entschieden sich die Radikalen für ein Bombardement aus der Luft, war-fen Gegenstände von den Türmen herab und hofften, daß sie damit die Teerstadt durchbrechen und die Küche selbst treffen konnten. Das war jedoch gefährlich, weshalb sich gemäßigtere Gewerkschaftsmitglieder strikt dagegen aussprachen; als Folge wurden Studenten, die darauf bestanden, in der Mensa zu essen, lediglich übel beschimpft. Die Streikbrecher selbst waren Leute mit entschlossenen Mienen; Aktivisten, die ihnen ihr Fehlverhalten vor Augen führen wollten, achteten sorgsam darauf, daß sie nicht mit allzu lauter Stimme sprachen und schnelle Bewegungen vermieden.
Am siebten Tag des Streiks ging dann wirklich die Post ab: Es geschah, was sich die Gewerkschaft nie hätte träumen lassen und worauf ich, wenn ich in meiner Suite die Zeitung las und bittere Skepsis empfand, mit einer Art von sardonischer Geduld gewartet hatte. Das Kuratorium gab bekannt, daß die amerikanische Megaversität für dieses Jahr ihre Pforten schließen würde, daß nicht abgeschlossene Vorlesungen angerechnet würden und man Mitte April eine vorgezogene Abschlußfeier durchführen wollte. Ende März sollten alle den Plex verlassen haben.
»Nun ja«, sagte S. S. Krupp in der Glotze, »ich weiß gar nicht, was die ganze Aufregung soll. Mir scheint, daß wir offen und ehrlich sind. Wir können uns unseren Lehrkörper und die Arbeiter nicht mehr leisten. Wir können unserer Verpflichtung den
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