Big U
Rocky im Kabelfernsehen angesehen, und der schlafende Casimir hatte unbewußt den Ton mitbekommen. Er erwachte am nächsten Morgen mit dem Gefühl, daß er eine Mission hatte, ein Schicksal, das Bedürfnis, hinauszugehen und die Pisser in ihrem eigenen Spiel zu schlagen. Neutrino stellte eine hinreichende Machtbasis dar, und da seine Vorlesungen nur rund sechs Stunden die Woche ausmachten, hatte er alle Zeit der Welt.
Vor Casimirs Machtergreifung war das meiste Geld, das Neutrino bekam, für unbedeutende Nebensächlichkeiten ausgegeben worden, darunter Abendessen, Ausflüge zu Kernreaktoren, geistlose Lernhilfen und dergleichen. Casimir hatte vor, das gesamte Geld auf ein einziges Projekt zu verwenden, das den Geist der Mitglieder trainieren und letzten Endes etwas Nützliches hervorbringen würde. Als er die beeinflußbaren Mitglieder von Neutrino erst einmal davon überzeugt hatte, daß das eine gute Idee war, dauerte es nicht lange, bis er seinen Vorschlag für das tatsächliche Projekt auf den Tisch legte: den Bau eines Massenbeschleunigers.
Ein Massenbeschleuniger war ein magnetisches Gerät, um etwas zu werfen. Er bestand aus einer langen und geraden Schiene, einem »Eimer«, der auf einem Magnetkissen auf dieser Schiene entlang glitt, und starken Elektromagneten, die den Eimer die Schiene hinab kickten. Wenn der Eimer am Ende der Schiene zum Stillstand kam, sauste der Inhalt einfach weiter – theoretisch sehr, sehr schnell. In letzter Zeit war diese einfache Maschine ein Lieblingsprojekt von Professor Sharon geworden, der sich dafür aussprach, sie für den lunaren Bergbau einzusetzen. Casimir trat dafür ein, daß dieser Einfall an und für sich wichtig und interessant sei und Sharons Einsatz dafür ihm einen sentimentalen Wert verlieh. Der Massenbeschleuniger, ein Tribut für Sharon und ein spaßiges Projekt und Spielzeug, mit dem man verteufelt tolle Spielchen machen konnte, wenn es fertig war, erwies sich als unwiderstehlich für Neutrino. Das war auch gut so, denn nichts auf der Welt würde Casimir davon abhalten, dieses Mistding zu bauen.
An diesem speziellen Abend hatte Casimir einen Etat dafür erstellt, da der Studentenausschuß in Kürze über die Etats beraten würde. Nicht lange nach dem Besuch des Exterminators saß Casimir fest. Viele Komponenten, die er brauchte, waren Standardmaterialien, die er mühelos bekommen konnte, aber für bestimmte Gegenstände, darunter normale elektromagnetische Spulen, ließen sich nur schwer Mittel bekommen. Diese Art von
Konstruktion mußte im naturwissenschaftlichen Workshop durchgeführt werden, was bedeutete, er würde es mit Virgil Gabrielsen zu tun bekommen. Als er soviel wie möglich niet-und nagelfest gemacht hatte, raffte Casimir seine Unterlagen zusammen und machte sich an die halbstündige Fahrstuhlfahrt hinunter in den Bunker. Im Interesse von Wirtschaftlichkeit, Sicherheit, architektonischer Schönheit und gesundem Zusammenspiel der Fakultäten hatten die Architekten der Campusstruktur alle naturwissenschaftlichen Fakultäten in einem einzigen Gebäudeblock untergebracht. Dieser Block wurde Bunker genannt, weil er sich weitgehend unterirdisch erstreckte und seine Bewohner angeblich eine gewisse Ähnlichkeit mit Morlocks aufwiesen. In den oberen Etagen des Bunkers lagen die Bibliotheken und Konferenzräume der Fakultäten. Darunter die Büros der Professoren und die Fakultätsverwaltungen, gefolgt von Hörsälen, Labors, Materiallagern und ganz unten, vierzig Stockwerke unter dem Erdgeschoß, das riesige RZ – Rechenzentrum – und der naturwissenschaftliche Workshop. Jeder Forscher, der Glas geblasen, Metall geformt, Ausrüstung repariert, Schaltkreise entworfen oder Maschinen zusammengebaut haben wollte, mußte hier herunterkommen und zu Füßen des hartherzigen Werkstattpersonals um Barmherzigkeit flehen. Das bedeutete, man mußte versuchen, Lute aufzuspüren, den hyperakti
ven norwegischen Techniker, der Gerüchten zufolge die Gabe der Teleportation besaß und kluge Menschen ob ihrer Hilflosigkeit in praktischen Dingen verachtete, oder Zap, den Elektronikspezialisten, Waffenmeister einer Motorradbande, der während seiner Arbeitszeit Motorblocks für seine Bandenbrüder aufbohrte und Professoren bizarre und tödliche Foltern androhte. Zap war der billigste Techniker, den das leitende Komitee des naturwissenschaftlichen Workshops finden konnte, Lute war nach schrecklichen Drohungen aller Fakultätsmitglieder mit einem enormen Gehalt gelockt
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