Big U
Person, bei allen anderen durchschnittlich aber nur sechsundvierzig Dollar und bei Neutrino sogar nur dreiunddreißig Dollar. Besonders ungerecht ist das, weil Neutrino Sachen wie Bücher und Ausrüstung kaufen muß, die Ausgaben einer politischen Organisation hingegen wesentlich niedriger sind. Ich halte das nicht für gerecht.«
Das SUB heulte auf angesichts dieser anmaßenden Ausführungen, aber alle anderen hörten respektvoll zu.
»Ich schlage daher vor, wir reduzieren den Etat von SUB auf das notwendigste Minimum, sagen wir einmal, zwanzig Mäuse pro Nase, und geben Neutrino die für ein wissenschaftliches Projekt beantragte Gesamtsumme von tausendfünfhundert Dollar.«
Der Rest des Abends war Quatsch und ich möchte mich nicht weiter mit den Einzelheiten aufhalten. Es war ohnehin alles bedeutungslos, da die Verwaltung die endgültige Entscheidung traf; der Studentenausschuß mußte Etats verabschieden, bis sie einen verabschiedeten, den S. S. Krupp unterschrieb, die Frage war nur, wie lange es dauern würde, bis sie klein beigaben. Die Zeit arbeitete gegen das SUB. Je mehr die Mitglieder des Ausschusses sich langweilten, desto größer wurde ihr Interesse, einen Etat aufzustellen, der gleich beim erstenmal genehmigt werden würde. Schließlich wurde unverkennbar, daß das SUB verloren hatte, und es fehlte nur noch die Endabstimmung. Der Höhepunkt des Abends kam jedoch unmittelbar vor dieser Abstimmung: die Rede von Yllas Freedperson.
Yllas, die höchst bedeutende und brillante Präsidentin des SUB, war eine schwere Schwarze Anfang dreißig im fünften Studienjahr des Workshop für moderne Kunst der Politik. Sie fertigte gern Holzschnitte von qualvollen Gesichtern, brennenden Gebäuden und kräftigen, gepeinigten Händen an, die zum Himmel gestreckt wurden. Selbst ihre Töpfereien waren von den Arbeiten geknechteter mittelamerikanischer Bauern beeinflußt. Außerdem war sie Chefredakteurin und Illustratorin der People’s Truth Publication, aber ihre wahre Begabung waren öffentliche Reden, denn sie besaß die Macht eines Gospelpredigers und das Feuer einer Revolutionärin. Sie wartete würdevoll, bis die Scheinwerfer der Fernsehleute soweit waren und setzte dann zu einer Rede an, die mindestens eine Viertelstunde dauerte. Genau zum richtigen Zeitpunkt stöhnte, sang, argumentierte, flüsterte oder brüllte sie, sonst sprach sie mit einer normalen, flüssigen und hypnotischen Stimme. Sie redete über S. S. Krupp und das böse System, wie das System Gutes in Böses verwandelte, wie diese Gesellschaft genau der entsprach, die den Holocaust zu verantworten hatte, was keine Entschuldigung für Israel war, über die Konservativen in Washington und daß unsere Umwelt, wirtschaftliche Sicherheit, persönliche Freiheit und Sicherheit vor einem Atomkrieg allesamt gefährdet waren durch den habgierigen Plan, den Etat des SUB zu kürzen. Schließlich erwähnte sie die Namen von Martin Luther King jun. Marx, Ghandi, Che, Jesus Christus, Ronald Reagan, Hitler, S. S. Krupp, den KKK, Bob Aviakan, Elijah Mohammed und Abraham Lincoln. Die ganze Zeit über blieb die Fledermaus aktiv, flatterte und schoß wie irr durch das Auditorium, stieß im Sturzflug auf Wände, Lichter oder Leute hinab, wich im letzten Moment aus, flog mit enormer Geschwindigkeit durch das dichte Netz von Balken und Kabeln und Laufstegen und Lichtanlagen und hängenden Lautsprechern und freiliegenden Leitungen über uns und beschrieb einen unfaßbar komplizierten Weg, bei dem sie nicht einmal gegen einen festen Gegenstand stieß. Alles war faszinierend und atemberaubend, und als Yllas Freedperson fertig war und die Fledermaus, die möglicherweise nicht mehr von ihrer Stimme angelockt wurde, nach oben in einer Ecke verschwand, herrschte langes Schweigen, ehe Applaus erklang.
»Danke, Yllas«, sagte Sarah voller Respekt. »Möchtest du einen ganz bestimmten Antrag einbringen, oder wolltest du nur deine generelle Meinung äußern?«
»Ich beantrage«, schrie Yllas Freedperson, »daß wir den Etat so verabschieden, wie er war.«
Die Abstimmung war knapp. Das SUB verlor. Neuerliches Auszählen änderte nichts daran. Sie entschieden sich für den würdevollen Umgang mit der Niederlage, bildeten eine traurige Schlange hinter Yllas und sangen bedächtig »We Shall Overcome«, während sie hinausmarschierten. Über den Köpfen trugen sie ihre großen schwarz-roten Plakate von S. S. Krupp mit einer Zielscheibe über dem Gesicht, und sie marschierten so
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