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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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in die Schulterblätter pieksten. An einem Ende befand sich eine lange Bar, am anderen ein Tresen, der mit dem zentralen Küchenkomplex verbunden war. Casimir weigerte sich, das Essen des Megapubs zu sich zu nehmen, und aß statt dessen ein Sandwich mit Erdnußbutter und Gelee aus überteuerten Zutaten aus dem Lebensmittelgeschäft, dazu einen Plastikbecher Bier mit extrem viel Kohlensäure. Sarah bediente sich am Salatbuffet. Sie entfernten mehrere Tabletts von einem Tisch beim Fenster, stapelten sie auf einem Mülleimer in der Nähe und setzten sich.
    »Danke, daß du so kurzfristig kommen konntest«, sagte Sarah. »Ich brauche jede erdenkliche Hilfe, wenn ich Krupp diesen Etat verkaufen möchte, und deine Statistiken beeindrucken ihn vielleicht.«
    Casimir, der heftig auf einem großen Stück namenlosen Weißbrots und namenloser klümpchenfreier Erdnußbutter kaute, zog ein paar mit dem Computer erstellte und ausgedruckte Diagramme aus dem Rucksack. »Das nennt man Lorentz-Kurven«, murmelte er, »sie zeigen die Regelmäßigkeit der Verteilung. Perfekte Verteilung ist diese Linie hier im Winkel von fünfundvierzig Grad. Alles, was nicht regelmäßig ist, erscheint als Kurve unter der Regelmäßigkeitslinie. Dies hatten wir mit dem alten Etat.« Er führte ein Diagramm vor, das eine tief durchhängende Kurve zeigte, sowie die Regelmäßigkeitslinie zum Vergleich darüber. Das Diagramm war mit einem Computer erstellt worden, der auf verschiedenen Stellen des Papiers Buchstaben gedruckt hatte und die Kurven und Linien so als schematische gepunktete Linien darstellte. »Und hier dieselbe Analyse des neuen Etats.« Das neue Diagramm zeigte eine Kurve, die der Regelmäßigkeitslinie fast folgte.
    »Jedes Diagramm hat einen Koeffizienten, der Gini-Koeffizient genannt wird, das Verhältnis der Fläche zwischen der Linie und der Kurve zum Bereich unter der Linie. Bei perfekter Regelmäßigkeit ist der Gini-Koeffizient gleich null. Beim alten Etat war er sehr schlecht, etwa null Komma acht, beim neuen Etat liegt er bei ungefähr null Komma zwei, und das ist ziemlich gut.«
    Sarah hörte höflich zu. »Du hast ein Computerprogramm, das das macht?«
    »Ja. Na ja, jedenfalls jetzt. Ich habe es einfach geschrieben.«
    »Und es funktioniert zuverlässig?«
    Casimir sah sie seltsam an, dann die Diagramme, dann wieder sie. »Ich denke schon. Warum?«
    »Schau dir mal diese Buchstaben in den Kurven an.« Sie zog eines der Diagramme zu sich und fuhr die Buchstaben nach, die die Lorentz-Kurve bildeten:
    FELLATIOARSCHFICKNEKROPHILIECUNNILINGUSANALINGUSTIERSEX …
    »Oh«, sagte Casimir leise. Die andere Kurve lautete:
    FOTZELEKKENSCHEISSEPISSEARSCHLOCHMACHMIREINENEINLAUFSCHLAGMICHLECKMICHUNTERDRÜCKMICH …
    Casimirs Gesicht war wächsern und rot, die Zungenspitze ragte aus dem Mund. »Das war ich nicht. Es sollte heißen ›ein neuer Etat‹ und ›alter Etat‹. Das habe ich nicht in das Programm geschrieben. Äh, so etwas nennen wir einen Bug. Kommt von Zeit zu Zeit vor. Herrje, das tut mir jetzt echt leid.« Er packte die Diagramme mit einer Hand und knüllte sie zusammen und steckte sie in seine Tasche.
    »Ich glaube dir«, sagte sie. »Ich verstehe nicht viel von Computern, aber ich weiß, daß es mit diesem hier Probleme gegeben hat.«
    Mitten in seiner Abhandlung über Lorentz-Kurven war Casimir der Gedanke gekommen, daß er gerade dabei war, sich völlig zum Affen zu machen. Sie studierte Englisch; er hatte im Studentenverzeichnis nachgesehen, um das herauszufinden; was, zum Teufel, interessierten sie denn schon Gini-Koeffizienten? Sarah lächelte immer noch, wenn sie sich langweilte, respektierte sie ihn offenbar wenigstens so sehr, es sich nicht anmerken zu lassen. Er hatte ihr gesagt, daß er das Programm gerade erst geschrieben hatte, und das war schlecht, denn es sah aus – oi! Es sah aus, als wollte er sie damit beeindrucken, ein gebildeter Humanistentyp, der Computerprogramme für sie schrieb, als wäre das die einzige echte Kommunikation, deren er fähig war.
    Und dann die obszönen Lorentz-Kurven!
    Ihn rettete, daß sie keine Ahnung von Computern hatte. Tatsache war natürlich, daß dies auf gar keinen Fall von einem Computerfehler stammen konnte – hätte sie je ein Computerprogramm laufen lassen, wäre sie zu der Schlußfolgerung gekommen, daß Casimir es absichtlich gemacht hatte. Plötzlich fiel ihm sein Gespräch mit Virgil ein. Der Wurm! Es mußte der Wurm gewesen sein. Er wollte es ihr gerade sagen, sich

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