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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gelassen worden war. Hier herrschte nicht die nüchterne Geometrie wie im Rest des Plex, keine anonymen einfarbigen Wände und kahle Rechtecke und Quadrate, die die Bewohner irre zu machen schienen. Keinerlei Plastik war zu sehen; die Böden bestanden aus Holz, die Fenster standen offen, Paneele zierten die Wände, und das Echtholz und die Parkettböden mit ihren kunstvollen Intarsien verliehen den Räumen etwas von der Wärme und Vielfalt der Natur. In den vergangenen Monaten hatte Sarah fast kein Holz gesehen – selbst die Bleistifte hier in den Läden bestanden aus gelbem Plastik –, daher betrachtete sie die allgegenwärtigen Vertäfelungen fassungslos, als wäre die detaillierte Maserung aus einem bestimmten Grund hier, den es sorgsam zu erforschen galt. Das alles war ein Versuch, der Amerikanischen Megaversität das altehrwürdige Ansehen einer echten Universität zu verleihen; aber Sarah fühlte sich hier zu Hause.
    »Rektor Krupp wird Sie jetzt empfangen«, sagte die wunderbare, geistreiche, freundliche, zivilisierte alte Sekretärin, die große Doppeltür schwang auf, und da war S.S. Krupp. »Guten Tag, Sarah, tut mir leid, daß Sie warten mußten«, sagte er. »Bitte treten Sie ein.«
    Drei der Wände von Krupps Büro wurden bis zu einer Höhe von über zweieinhalb Metern von Bücherregalen verdeckt, die vierte bestand ganz aus großflächigen Fenstern. Über den Regalen hingen Porträts der Gründer und früheren Rektoren der Amerikanischen Megaversität. Die Gründerväter sahen Sarah durch das Halbdunkel des akkumulierten Tabakqualms von anderthalb Jahrhunderten hindurch mürrisch an, und als sie der Reihe der Würdenträger bis zum anderen Ende des Raums folgte, strahlten ihre Gesichter immer heller und heller aus dem Teer und dem Nikotin vergangener Tage, bis sie zu den letzten freien Stellen kam, wo Tony Commodi, Pertinax Rushforth und Julian Didius III linkisch in modernen Anzügen und Designerbrillen strahlten.
    Auf dem leuchtend rötlich-orangefarbenen Holzboden lagen drei Perserteppiche, die Decke war mit drei konzentrischen Ringen verschnörkelter Stuckarbeiten geschmückt, die ein großes, kuppeiförmiges Oberlicht umgaben. Ein großer, sorgsam polierter Lüster hing an einer Kette von der Mitte dieses Oberlichts herab. Sarah wußte, daß das zarte Oberlicht aus Bleiglas von oben durch eine quadratische geodätische Kuppel mit stabilen Stahlstreben und bruchfestem Fiberglas geschützt wurde, die so entworfen war, daß sie alles von S. S. Krupps Büro fernhielt, außer dem Sonnenlicht. Nichts unter einem B-52-Bomber im Sturzflug hätte diese grandiose Stille durchbrechen können, auch wenn ein Kreis zerschmetterter Möbelstücke und anderer Trümmer rings um die Kuppel draußen herum den Beleg dafür lieferte, daß die Studenten des C-Turms es dennoch immer wieder versuchten.
    Krupp führte sie zu einem langen, niedrigen Tisch unter den Fenstern, wo sie auf alten Ledersesseln Platz nahmen und ihre Unterlagen im grauen Nordlicht ausbreiteten. Zwischen ihnen drehte sich Krupps allzeit bereites Tonband lautlos. Wenig später kam die Sekretärin mit einem silbernen Teeservice herein; Krupp schenkte Tee ein und bot Sarah winzige, nett gebackene Kekse auf weißen Stoffservietten an, die mit dem Wappen der Amerikanischen Megaversität bestickt waren.
    Krupp war ein gedrungener Mann, dessen hübsches Cowboygesicht im Osten etwas heller und sanfter geworden war. »Mir ist zu Ohren gekommen«, sagte er, »daß Sie gestern abend einige Probleme mit diesen Sandkastenkommunisten hatten.«
    »Oh, die waren wie immer. Keine besonderen Probleme.«
    »Ja.« Krupp schien ein wenig ungehalten auf ihre Nichtaussage zu reagieren. »Ich sehe mit Freuden, daß
    Sie ihnen den Etat zusammengestrichen haben.«
    »Ach? Und wenn wir beim alten geblieben wären?«
    »Hätte ich ihn die Toilette runtergespült.« Er grinste strahlend.
    »Was ist mit diesem Etat? Ist er akzeptabel?«
    »Oh, er ist nicht übel. Er hat ein paar Macken.«
    »Ich möchte gleich zu Beginn vorausschicken, daß es leicht für Sie ist, geringfügige Änderungen an dem Etat vorzunehmen, bis die Macken beseitigt sind. Für den Studentenausschuß ist das alles sehr viel schwieriger zu handhaben. Wir mußten beinahe die Bereitschaftspolizei hinzubitten, um diesen Etat durchzubringen; bei einem Etat, den Sie abgesegnet haben, wird das noch viel schwieriger sein.«
    »Es steht Ihnen durchaus frei, das zu sagen, Sarah, und ich will Ihnen nicht

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