Big U
soll.«
»Ganz recht – bei hochentwickelten, denkenden Menschen. Bei primitiven, zweikammerigen Menschen würde sie verbal zur linken Hälfte sprechen und in Augenblicken der Entscheidung als Stimme aus dem Nichts auftauchen. Der linken Hälfte bliebe nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Es gäbe gar keine Entscheidungen – man hätte somit ein uneingeschränktes Festhalten am Gesetz der Stimme der rechten Hälfte, absolute Autonomie, wenn man diese Stimme auch Göttern oder Engeln zuschreiben würde.«
Krupp nickte derweil die ganze Zeit und sah Klein mit zusammengekniffenen Augen an. »Sie sind einer von denen, hm?« fragte er. »Ich selbst war nie von Jaynes’ Theorie überzeugt, allerdings hat er einige interessante Ansichten über Metaphern. Ich glaube nicht, daß ein ungebildeter Zimmermann wie Jesus Christus seine makellose Theologie von verstreuten Nervenströmen in die linke Hälfte seines Gehirns gepumpt bekam.« Er dachte einen Moment darüber nach. »Allerdings wäre es wesentlich leiser hier, wenn jeder seine Stereoanlage im Kopf mit sich herumtragen würde.«
»Herr im Himmel«, sagte Ephraim Klein, »Sie glauben doch nicht an Gott, oder? Sie?«
»Also ich möchte nicht zuviel Zeit mit diesem Erstsemestermaterial vergeuden, äh – wie heißen Sie? Ezekiel? Ephraim. Aber Sie sollten sich bei Gelegenheit einmal mit der Tatsache auseinandersetzen, daß Ihr materialistischer Monismus in sich selbst widersprüchlich und damit vollkommen bankrott ist. Ich schätze, für jemanden, der gerade festgestellt hat, daß er ein Intellektueller ist, mag er faszinierend sein – bei mir war das vor dreißig Jahren jedenfalls so –, aber irgendwann muß man aufhören, sich selbst mit dieser intellektuellen Hybris zu geißeln.«
Klein schoß förmlich wie eine Rakete vom Stuhl hoch und sagte einen Moment gar nichts. Er war stocksteif und stützte sich mit einer Faust hoch, die er zwischen den Beinen hindurch auf den Sitz aufgestellt hatte, kaute heftig an seiner Unterlippe und glotzte, um einen Ausdruck von Krupp zu zitieren, »wie ein Waschbär auf der Startbahn«. »Non sequitur! Ad hominem!« rief er.
»Ich weiß, ich weiß. Ich sag Ihnen was. Bleiben Sie hier und ich höre mir Ihr Latein hinterher an, das Publikum wird schon ungeduldig.« Krupp suchte nach dem nächsten Fragensteller. Im hinteren Teil des Hörsaals konnte man hören, wie die Sitzfläche eines Klappstuhls nach oben knallte; wir drehten uns alle um und sahen die verlotterte Gestalt von Bert Nix.
»Krupp lässt einen Furz! Der Schließmuskel hält nicht mehr!« bellte er heiser und setzte sich wieder.
Darauf achtete Krupp nicht weiter, während seine Gehilfen den Mittelgang hochgingen, um Mr. Nix zu zeigen, wo der Ausgang war, und konzentrierte sich auf den nächsten Fragensteller, einen großen, rothaarigen SUBler, der Krupp vorwarf, er würde Schmiergelder annehmen und reiche Idioten in die juristische Fakultät aufnehmen. Der Rotschopf fügte hinzu: »Ich stelle Ihnen diese Frage immer wieder, Septimius, und Sie haben sie nie beantwortet. Wann werden Sie meiner Frage endlich Beachtung schenken?«
Krupp sah angewidert drein, paffte hektisch und betrachtete den jungen Mann kalt. Bert Nix blieb an der Tür stehen und rief: »Meine Reise führet mich über Fels & Gebirg: nicht durch grüne Täler; weder ruhen noch schlafen darf ich, herrschen doch Wahnsinn & Mißgunst.«
»Ja«, sagte Krupp, »und ich gebe Ihnen jedesmal dieselbe Antwort. Das habe ich nicht getan. Es gibt keine Beweise dafür, daß ich das getan habe. Was soll ich sonst noch sagen? Ich möchte Ihnen wirklich gern behilflich sein.«
»Sie werfen immer nur mit demselben Scheiß um sich!« rief der SUBler und ließ sich wieder auf seinen Sitz fallen.
Casimir Radon hörte sich diese Wortgefechte mit allergrößtem Interesse an. Er hatte davon geträumt, genau das an der Universität zu finden: überschaubare Vorlesungen über reine Ideen vom Dekan der Universität selbst, und anschließend Diskussionen. Daß die SUBler das mit einem Tortenwurf gestört hatten, machte ihn krank; während des letzten Teils der Vorlesung hatte er sie durch einen Nebel der Wut betrachtet. Hätte er an der Seitentür gesessen, hätte er dem Dreckskerl ein Bein stellen können. Das wäre toll gewesen, denn Sarah Jane Johnson saß drei Reihen vor ihm und war sich, wie üblich, seiner Anwesenheit nicht bewußt.
Sarahs Auftritt wenige Minuten vor Beginn der Vorlesung hatte Casimir in einen
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