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Big U

Big U

Titel: Big U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Moment abgefeuert werden.
    Für uns sah er wie ein seltsamer ausgeflippter Vogel aus, der nicht über den Boden im vorderen Teil des Hörsaals lief, sondern auf einer niedrigen Frequenz darüber hinwegvibrierte. Er war groß, hager, blaß und trug ein altes T-Shirt; und er schien nie einen Teil seines nervösen Körpers fest auf dem Boden aufzusetzen. Er stürmte herein, prallte von einem Türpfosten ab und verlor das Gleichgewicht. Dann torkelte er am Sitz eines CIA-Manns vorbei, der noch nicht reagiert hatte, hüpfte dreimal, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, orientierte sich wieder, taumelte auf S. S. Krupp zu und wurde den ganzen Weg von vier Fledermäusen verfolgt, die der Geruch der Bananencremetorte fast zur Raserei trieb.
    »Das bedeutet, daß die aktuelle vulgäre Benutzung des Wortes ›autonom‹ als unabhängig, d. h. frei von externen Einflüssen, souverän, nicht ganz korrekt ist«, sagte Krupp, der von seinen Notizen aufschaute, um sich zu vergewissern, weswegen alle so ein Aufhebens machten. »Um autonom zu sein, wie wir dem griechischen Ursprung des Wortes eindeutig entnehmen können – autos bedeutet selbst, nomos bedeutet Gesetz« – hier machte er eine kurze Pause und duckte sich. Die Torte flog seitlich über seinen Kopf hinweg und explodierte an der Tafel hinter ihm. Er richtete sich wieder auf – »muß man sich selbst regieren, Achtung vor dem Gesetz haben« – Agent 3 trottete zur Tür hinaus, während die Leute des SUB stöhnten – »was in diesem Fall nicht das Gesetz der Gesellschaft oder eines politischen Systems bedeutet, sondern vielmehr das Gesetz, das der vernunftbegabte Mensch seinem eigenen Handeln auferlegt.« Draußen auf dem Flur herrschte ein Tumult, Krupp machte eine Pause. Unter viel Grunzen und Fluchen wurde Agent 3 ohne Skimaske von drei adretten Studenten in Begleitung eines lächelnden älteren Mannes im karierten Flanellhemd in den Hörsaal zurückgezerrt.
    »Hier ist Ihr Mann, Rektor Krupp, Sir«, sagte ein ernster junger Angelsachse, der sich mit der freien Hand eine Haarsträhne aus der Stirn strich. »Wir haben diesen Kommunisten vorläufig festgenommen. Sollen wir die Behörden für Sie informieren?« Ihr Mentor grinste breit, als er diesen Vorschlag hörte, seine pferdeähnlichen vorstehenden Schneidezähne funkelten wie große weiße Getreidesilos auf den Ebenen von Dakota.
    Krupp betrachtete sie wachsam und ging auf die andere Seite des Pults, als wäre es ein Schild. Dann wandte er sich an die Zuhörer. »Bitte entschuldigen Sie. Ich denke, ich bin die höchste Autorität hier, daher möchte ich das erst klären.« Er schaute zu der Gruppe bei der Tür zurück, die voller Respekt hersah, ausgenommen Agent 3, der aus seinem Klammergriff brüllte: »Seht ihr, Leute? Das passiert, wenn man versucht, das System zu ändern!« Mehrere SUBler eilten ihm zu Hilfe, wurden aber von Krupps Attaches aufgehalten.
    »Wer, zum Teufel, sind Sie?« fragte Krupp. »Gehören Sie diesem abscheulichen Kult aus North Dakota an?«
    Sie waren schockiert, sogar Agent 3, und starrten verständnislos vor sich hin. Aufrichtige Sorge stand dem Mann im karierten Flanellhemd ins Gesicht geschrieben. Schließlich trat er vor. »Jawoll, Sir. Wir sind wahrhaftig Anhänger des Tempels der grenzenlosen Gottheit, und stolz darauf. Bei allem gebührenden Respekt, was genau meinen Sie mit ›abscheulich‹?«
    »Das ist wie ein toter Hund im Wohnzimmer, mein Sohn. Hören Sie, warum lassen Sie alle den Jungen nicht los? So ist es recht.«
    Sie gaben ihn mit Bedauern frei. Agent 3 stand heftig zitternd auf. Er konnte Krupp schlecht danken. Als er kurz von einem Fuß auf den anderen gehüpft war, setzte er seine Flucht den Mittelgang entlang fort, als wäre nichts geschehen.
    »Hören Sie«, fuhr Krupp fort, »Wir haben hier einen Wachtrupp. Wir haben organisierte Religionen, die seit Jahrtausenden ganz gut funktionieren. Was wir ganz gewiß nicht brauchen, das sind Gehirnwäscheunternehmen oder irgendwelche Mormonen-Jesuiten, die high auf Kool-Aid sind. Ich weiß, die Zeiten sind schlecht in North Dakota, aber sie sind überall schlecht und erfordern keine neuen Religionen. Natürlich haben Sie einige exzellente Argumente zum Thema Kommunismus. Das heißt nicht, daß wir Ihnen nicht in jeder Hinsicht volle religiöse und politische Freiheiten gewähren, genau wie bei den altmodischen NonProfit-Religionen.«
    Das SUB buhte Krupp wegen seiner garstigen Intoleranz religiöser Vielfalt gegenüber

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