BIGHEAD - Ein brutaler, obzöner Thriller (German Edition)
zubereitet und Jerrica hatte recht, es war wirklich gut gewesen. Steaks von freilaufenden Rindern, Bohnen aus dem eigenen Garten, selbst gemachte Sauerteigbrötchen. Doch Charity hatte selbst nicht viel gegessen, ihr war der Appetit vergangen. Irgendwie machte die Präsenz von Jerricas schlankem, vitalem Körper Charity befangen. Chili-Hotdogs, hm? Ich wünschte, ich könnte Chili-Hotdogs essen und deine Figur haben . Und angesichts Jerricas knapper Garderobe – abgeschnittene Jeans und ein papageiengrünes Top – fühlte Charity sich in ihrer schlichten Bluse und dem bauschigen blauen Rock wie eine alte Jungfer. Es war ein ungewöhnliches Zusammentreffen von Gefühlen: dass sie Jerrica so mögen konnte und doch insgeheim so eifersüchtig war.
Nach dem Essen hatten sie beschlossen, eine kleine Spritztour zu unternehmen; Jerrica wollte die Stadt sehen, um schon einmal ein paar Notizen für ihren Artikel zu machen. »Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht, mich herumzuführen?«, fragte Jerrica. »Ich meine ... wenn du zu müde bist, ist das kein Problem; wir können auch morgen losziehen.«
»Nein, alles okay.« Charity öffnete die Beifahrertür. »Es ist komisch – wir sind seit sechs Uhr heute Morgen unterwegs, aber ich bin nicht im Geringsten müde.«
»Ich auch nicht. Ich bin ziemlich aufgeregt, weil ich jetzt hier bin.« Aber gerade, als Jerrica den Wagen anlassen wollte, hörten sie eine Stimme hinter sich.
»Oh, Mädels!«
Sie blickten beide über die Schulter. Es war Tante Annie, die hinter der Fliegengittertür der Veranda stand. »Es wird dunkel, also passt auf die Straße auf. Und hütet euch vor den Shiners .«
»Keine Sorge, Tante Annie«, rief Charity zurück und verkniff sich ein Lächeln. »Wir sind vorsichtig.«
Jerrica lenkte das kleine rote Auto durch die runde Einfahrt. Sie schien verwirrt, als sie sich eine Strähne ihres blonden Haares aus dem Gesicht strich. »Shiners?«, fragte sie.
»Moonshiner«, ergänzte Charity das fehlende Präfix. »Schwarzbrenner.«
Jerrica glotzte sie an. »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen! Reden wir hier von illegalen Destillen, schwarz gebranntem Whiskey und so was?«
»Klar«, antwortete Charity. »Hier nennt man das Zeug meistens nur Shine . Du hast doch die ganzen Maisfelder auf dem Weg hierher gesehen – das wird nicht alles an die Lebensmittelindustrie verkauft, das kann ich dir sagen. Schwarzbrennerei ist hier in der Gegend ein großes Geschäft, für einen Teil der Bevölkerung ist sie sogar die einzige regelmäßige Arbeit. Vergiss nicht, dass in Russell County die Arbeitslosenquote bei über 50 Prozent liegt. Fast jeder hier ist arm, deshalb gibt es einen stabilen Markt für 75-prozentigen Schnaps, der nur zehn Dollar pro Gallone kostet. Aber die Shiner machen noch mehr Geld damit, dass sie das Zeug auf der anderen Seite der Staatsgrenze verhökern. In Kentucky gibt es viele Countys, die trocken sind.«
»Was meinst du mit ›trocken‹?«
Charity zuckte die Schultern. »Alkoholische Getränke sind dort illegal, deshalb besteht eine große Nachfrage.«
»Wow«, sagte Jerrica und lenkte den Wagen auf die Hauptstraße. Kies spritzte hinter ihnen auf. »Ich wusste nicht, dass es so etwas noch gibt. Ich dachte, das wäre nur eine Südstaatenlegende.«
»Hier bei uns«, sagte Charity, »sind Legenden eine Lebensart. Die Shiner benutzen die Nebenstraßen, um sich die Polizei vom Hals zu halten; das ist das, was meine Tante meinte. Sie fahren wie die Irren. Genau genommen sind einige von ihnen Irre. Ich denke, dass alles, wenn man es in Maßen zu sich nimmt, okay ist, aber diese Leute trinken andauernd dieses Zeug. Nach einer Weile wird man davon verrückt.«
Jerrica schwieg einen Moment, sie schien über etwas nachzudenken. »Diese Moonshine-Geschichte ist großartiger Stoff für meinen Artikel, aber ... Glaubst du, ich könnte ein paar Schnappschüsse von einer Destille bekommen oder vielleicht sogar von ein paar Schwarzbrennern?«
Charitys Stirnrunzeln machte kein Geheimnis aus ihrer Missbilligung. »Jerrica, hier in der Gegend solltest du es nicht einmal erwähnen. Frag niemanden nach Destillen oder Shine. Und komm bloß nicht auf die Idee, in den Wäldern herumzuschnüffeln, um nach einer Destille zu suchen. Wegen so was werden hier immer wieder Leute erschossen.«
»Botschaft verstanden«, antwortete Jerrica, deren Augen etwas größer geworden waren.
Sie fuhren die Landstraße entlang, während die ersten Andeutungen der
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