BIGHEAD - Ein brutaler, obzöner Thriller (German Edition)
Recht, eine solche Ausdrucksweise zu benutzen. Dieser hirnamputierte stinkfaule Wichser ...«
Jerrica war entsetzt, aber fasziniert. Sie empfand es als ungewöhnliche Ehre, einen Priester bei einem solchen Wutausbruch, bei dem er die Grenzen zur Obszönität überschritt, zu beobachten. Es schien eine heilige Regel zu brechen, es zerschmetterte alles, was sie als Inbegriff des Priestertums angesehen hatte. Doch dann ...
Etwas fiel ihr ins Auge.
Sie musste ihm recht geben: Der Keller erschien bizarr, sogar nutzlos. Er bestand aus einem einzigen langen Gang, der auf beiden Seiten von Ziegelmauern begrenzt wurde. Es gab keine Türen, keine Räume, nichts. Nur ein paar eingeschlagene Kellerfenster spendeten Licht. Sie hätte erwartet, hier unten wenigstens einen Wirtschaftsraum zu finden, einen Heizungsraum, einen Sicherungsschrank.
»Nichts«, meckerte Alexander. »Nicht ein Raum hier unten; das ergibt doch keinen Sinn. Es hat in diesem Gebäude nie Elektrizität gegeben, sonst hätte es hier irgendwo einen Transformator oder etwas Ähnliches geben müssen und der hätte hier unten sein müssen. Aber sehen Sie.« Er zeigte nach oben. Die Gipsdecke schien mit schwarzem Ruß bedeckt zu sein. »Das Gleiche wie oben. Während der ganzen Zeit, in der dieses Gebäude genutzt wurde, haben sie Öllampen benutzt, verdammt.«
Jerrica nahm diese Merkwürdigkeit zur Kenntnis, verstand aber immer noch nicht so ganz die Verärgerung des Priesters. Warum ist das so wichtig?
Doch das war nicht der Grund für ihre Frage, als sie die Wand entlangblickte, den Finger ausstreckte und fragte: »Was ist das?«
»Ihr wollt mich wohl verarschen«, murmelte der Priester.
Eine weitere Ziegelstein-Demarkationslinie. Sie war deutlich zu erkennen. Eine Fläche aus neueren Steinen füllte einen rechteckigen Abschnitt der Wand, als hätte es dort früher einen Durchgang gegeben, der zugemauert worden war. Es war wie bei der Versiegelung oben, beim Verwaltungsbüro. Es gab nur einen Unterschied:
»Was zur ... Hölle? «, fluchte Alexander, als er die Ungereimtheit anstarrte, die Jerrica bereits aufgefallen war.
»Es sieht aus wie ...«, fing sie an, doch ihre Fassungslosigkeit erstickte den Rest ihrer Worte.
Dieser neuere Mauerabschnitt sah aus, na ja –
Das ist das Seltsamste von allem, dachte Jerrica.
– als hätte sich jemand daran zu schaffen gemacht.
Als hätte jemand versucht, die Wand einzureißen.
ZEHN
(I)
Ein Friedhof, dachte Charity. Natürlich ...
Die Hitze des Nachmittags verbrannte schnell den Dunst des späten Morgens. Doch drinnen im Wald mit seinen nur selten durch Lichtflecken durchbrochenen Schatten blieb es kühl. Der gewundene Fußweg führte sie durch die Brombeersträucher. Tante Annie hatte sich wieder beruhigt, fast als würden die Blumensträuße in ihrer Hand ihr Trost spenden. Doch Charity fühlte sich furchtbar, nachdem sie endlich das Gewicht der Schuld erkannt hatte, das diese zierliche alte Frau all die Jahre getragen hatte. Natürlich war ihre frühere Armut nicht ihre Schuld gewesen, genauso wenig, dass die unerwarteten Rohstoffeinkünfte so spät gekommen waren. Charity versuchte sich vorzustellen, wie Annie sich fühlen musste, zwischen den Trümmern ihres Lebens und dem ganzen Pech ...
»Wir sind da«, sagte Annie, gerade als die Sonne die Schatten vertrieb. Der Weg endete und mündete in ein langes, offenes Tal. Spitze Bäume flankierten es auf beiden Seiten, in überraschender Symmetrie; saftiges, hohes Gras bildete einen Teppich, der von einfachen, grob behauenen Grabsteinen gesprenkelt war.
»Das ist der Familienfriedhof«, sagte Annie. Sie schien ihn mit ehrfürchtigem Respekt anzusehen, als dächte sie daran, dass sie eines Tages auch hier liegen würde.
»Er ist sehr schön«, sagte Charity. »Er sieht viel ehrlicher aus als die typischen Friedhöfe, viel realer.«
Doch Tante Annie schien sie gar nicht zu hören, sie schien zu sehr in ihre privaten Gedanken versunken zu sein. Charity betrachtete das sonnenbeschienene Tal; es war rechteckig wie ein Sarg. Das passt ja, dachte sie. Bienen hüpften summend von einer Wildblume zur nächsten, um Pollen zu sammeln. Kleine Vögel beobachteten sie von den hohen Hickorybäumen aus. Der Geruch nach Geißblatt und Hickory war wunderbar überwältigend, er machte Charity ein bisschen high. Doch dann trat diese Flut sommerlicher Sinneseindrücke in den Hintergrund. Sie hat mich aus einem bestimmten Grund hierhergeführt, fiel ihr ein. Und das konnte
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