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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Ton, Blick haben«. Er fühlt sich im beständigen Rapport mit dem Übersinnlichen, dem geheimnisvollen Walten von Naturkräften, die wir nur unvollkommen erkennen, und mehr noch als er die Geisterwelt, verfolgt die Geisterwelt ihn. Sie quält, foltert und neckt ihn, sie macht ihn abwechselnd selig und mehr als einmal physisch krank. Sie vertritt ihm den Weg am hellen Mittag in diesem vernünftigen Hegeischen Berlin; sie geht ihm nach durch den Lärm der Königstraße zu den wenigen noch übrigen Resten des Mittelalters in der Gegend des zerfallenden Rathauses; sie läßt ihn in der Grünstraße – »ich sage in der Grünstraße« – einen geheimnisvollen Rosen- und Nelkenduft verspüren und verhext ihm den fashionablen Sammelplatz »des höheren Publikums«, die Linden. Man könnte Hoffmann den Vater des »Berliner Romans« nennen, dessen Spur später, als man Berlin »die Hauptstadt«, den Tiergarten »den Park«, die Spree »den Fluß« und die Regentenstraße (nach einer darin befindlichen Fontäne) »die Springbrunnenstraße« nannte, sich in Allgemeinheiten verlor, bis er in unseren Tagen wieder aufgelebt ist, freilich in Anlehnung eher an französische Vorbilder als an diesen echt deutschen Schriftsteller, welcher, merkwürdig genug, heute noch von den Franzosen vielleicht nicht mehr geschätzt, sicher aber mehr gelesen wird als von seinen eigenen Landsleuten. »Du hattest«, läßt er einen der Erzähler im »Fragment aus dem Leben dreier Freunde« sagen, »bestimmten Anlaß, die Szene nach Berlin zu verlegen und Straßen und Plätze zu nennen. Im allgemeinen ist es aber auch meines Bedünkens gar nicht übel, den Schauplatz genau zu bezeichnen. Außer dem, daß das Ganze dadurch einenSchein von historischer Wahrheit erhält, der einer trägen Phantasie aufhilft, so gewinnt es auch, zumal für den, der mit dem als Schauplatz genannten Orte bekannt ist, ungemein an Lebendigkeit und Frische.« Mit diesen Worten spricht Hoffmann deutlich die Theorie seines Romans aus, die ganz ebenso den neuesten Erzeugnissen dieser Gattung wieder zugrunde liegt. Der Berliner Roman ist damit auf den richtigen Weg zurückgekehrt, den ihm, vor zwei Menschenaltern schon, Hoffmann gewiesen. Aber wie sehr ist dieser seinen Nachfolgern in der Kunst der Lokalschilderung überlegen! Er bezeichnet nicht nur, er zeichnet und trifft mit unfehlbarer Treue. Visionär, hat er doch für die Bestimmtheit der Dinge den sichersten Griff und Ausdruck; er überzeugt durch den Gegensatz: von der Festigkeit des Hintergrundes borgt die Magie seiner ruhelosen Erfindung den Schein einer Existenz, welche der gemeinen Wirklichkeit widerspricht und doch untrennbar mit ihr verknüpft ist. Nirgends, in keiner seiner Erzählungen, zeigt diese Kunst, durch die Behandlung des Gegenständlichen das Wesenlose körperhaft zu machen, sich bewunderungswürdiger als in der Geschichte des »Öden Hauses« Unter den Linden. Er nennt diesmal die Linden nicht mit Namen, noch gibt er (aus naheliegenden Gründen) die Nummer des Hauses an. Aber unverkennbar trotzdem ist sie, »die mit herrlichen Prachtgebäuden eingeschlossene Allee, welche nach dem ***er Tor führt«; und ebenso das Haus. »Als noch keines der Prachtgebäude existierte, die jetzt unsere Straße zieren, stand dies Haus, wie man mir erzählt hat, schon in seiner jetzigen Gestalt da, und seit der Zeit wurde es nur gerade von dem gänzlichen Verfall gesichert.« Von »zwei hohen, schönen Gebäuden eingeklemmt«, liegt es und scheint unbewohnt; die Fenster sind verhängt, die Tür ist geschlossen. Aber schreckhafte Gebilde schweben aus seinen Mauern hervor; einunheimlicher Anblick bei Tage, belebt es sich in der Nacht. Dann hört man das Geheul eines »Höllenhundes«, und herzzerreißende Jammertöne schneiden dem einsam Vorübergehenden durch Mark und Bein: das Gewimmer einer Irrsinnigen, einer ehemals berückenden Schönheit, die nach einer Vergangenheit voll Schuld und Irrtum, fern von ihren gräflichen Verwandten, durch einen steinalten, steinharten Kastellan, ein grauenhaftes Wesen voll Bosheit und Schadenfreude, gefangengehalten wird. Auf eine wunderliche, durch Geisterspuk und Zauberspiegel, Magnetismus und Sympathie vermittelte Weise greift nun das Geschick der wahnwitzigen Greisin in das des Erzählers, welchen erst der Tod der Unglücklichen von dem Banne erlöst. Zeitgenossen, die jung waren, als Hoffmann dieses »Nachtstück« schrieb, haben das »öde Haus« noch wohl gekannt, und einer

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