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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Denn in diesen Lokalen bringt man sich sein Essen mit. Außerdem kann man im Garten und vor demselben alles mögliche zur Vervollständigung des Mahles haben: in dem Bretterhäuschen am Eingang »warme Würstchen« frisch aus dem brodelnden Kessel, in der Bude gegenüber Kuchen und Gebäck, von der Alten auf der Straße Radieschen. »Et sind de letzten vor dies Jahr«, sagt sie, »aber et ist ooch wat Juts.« Die »Weiße« geht von Hand zu Hand; selbst die Kinder, die sich im Hintergarten tummeln, kommen zuweilen gelaufen und nehmen einen Schluck, wobei sie das große Glas ganz kunstgerecht zu führen wissen. Neben dem Hausherrn steht noch ein Kümmel extra, neben der Hausfrau liegt nicht selten ein Milchfläschchen für den mitgebrachten Säugling, und fast auf jedem Tische sieht man einen Blumentopf. Im Hintergarten ist die Schaukel, die Würfelbude, die Kegelbahn, die Rutschbahn, die Kaffeeküche mit Waschkörben voll Tassen und Kannen, und ein Verschlag, hinter welchem Hühner gackern, Tauben fliegen und ein Hund an der Kette liegt. »Der Hund beißt«, ist mit großen Buchstaben an die Bretterwand geschrieben. Zufrieden und müßig sitzen diese Leute beisammen. Die Frauen stricken, die Männer spielen Karten. Kein übermäßiger Lärm und Tumult ist hier wie vor den Toren im Norden und Süden Berlins; und am Montag, wo doch sonst überall »blau« gemacht wird, sind diese Lokale fast leer. Die Bevölkerung des Nordostens ist eine gesetzte. Man sieht es diesen Familien wohl an, daß sie, wenn nicht Überfluß, doch auch keinen Mangel haben, daß das Handwerk sie nährt. Ihre Vergnügungen sind von einer ruhigeren und solideren Beschaffenheit als diejenigen der meisten andern Vorstädte, und die Landsberger Allee hat nichts von dem jahrmarktsartigen Aussehen derHasenheide und wenig von den künstlerischen Verlockungen des »Praters« vor dem Schönhauser Tor. Indessen ganz darf dergleichen nicht fehlen, wo man sich am Sonntag vor dem Tore belustigt. Kinder, Dienstmädchen und Lehrjungen wollen doch auch ihren Teil haben, und wenn man einen Hof durchschreitet, vor welchem ein Steinmetz Grabdenkmäler und kniende Engel aufgestellt hat, so kommt man auf einen offenen Platz, der am Alltag still, am Sonntag aber äußerst belebt ist. Da dreht sich das Karussell, das über und über mit Glasflittern behängt ist, und »Pluto, der Höllensohn« erscheint mit nackten Armen, in einem karmesinfarbnen Trikot und eine feuerrote Hahnenfeder an der Mütze. »Sie werden sagen«, ruft er aus, »wie es möglich ist, daß ein menschliches Wesen, geschaffen aus Fleisch und Blut, geschmolzenes Blei trinken und ein glühendes Eisen mit seiner Zunge kühlen kann.« Es muß aber doch wohl möglich sein; denn nicht wenige Neugierige, die lange gezögert, diesem letzten Appell aber nicht widerstehen konnten, folgen ihm, als er unter der Gardine seines Zeltes verschwindet, um das Wunder zu verrichten. Ein anderes Publikum hat sich um einen Tisch versammelt, hinter welchem ein Mann steht in einem hellkarierten Sommeranzug, mit einem gestrickten roten Fez auf dem Kopf und einer blauen Troddel daran. Der Mann hat eine Elektrisiermaschine und daneben einen Kasten, der mit einem Tuch verhüllt, mit Photographien schöner Jünglinge und Jungfrauen geschmückt ist und die Inschrift trägt: »Ein Blick in die Zukunft.« Dieser scheint für die Dienstmädchen, welche das Geheimnisvolle lieben, die größere Anziehungskraft zu haben. Der Mann spricht in einem salbungsvollen Tone, wie Propheten tun; aber immer dazwischen, namentlich wenn die Lehrjungen ihn ärgern, fällt er in seinen Berliner Jargon zurück; denn sowohl er als Pluto, der Höllensohn, sind mit Spreewassergetauft. Den Geist, welcher in dem verhängten Kasten administriert, nennt er den »kleinen Mann von Amsterdam«; und er redet ihm zu: »Komm herauf, kleiner Mann, komm herauf.« Dann wendet er sich an sein weibliches Auditorium: »Hier können Sie sehen, ob Sie Glück haben in der Liebe, in der Ehe oder in der Lotterie. Vielleicht haben Sie Anverwandte ... wart ick will dir, verfluchter Junge, willste woll nich drängeln – marsch raus mit dir, oder ick steche dir eene, det de fliegen sollst wie 'n Luftballon – – Vielleicht haben Sie Anverwandte in Amerika, über Land oder Meer, oder es stirbt Ihnen eine alte Tante und hinterläßt Ihnen ein paar hundert Taler Geld. Oder vielleicht kommt ein alter oder neuer Liebhaber; ich brauche nur zu sagen: kleiner Mann von Amsterdam, und

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