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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Jungen entzückte Vater wallete mit seiner Pfeife voll wohlriechenden Knasters unter seinen Freundenherum.« Aber kaum drei Schritte von diesem Bild ehrbaren Glückes entfernt sitzt »eine Partie äußerst empfindsamer junger Herren«, duftend von Eau de Levante, Eau de la Sultane, Eau sans pareil, und wie diese »galanten Wasser« alle heißen mögen; Petitmaîtres, deren Anzug »dem neuesten Geschmack von Paris« entspricht, mit kurzem Chemisett, die oberen sechs Knöpfe aufgeknöpft, »damit das feine, zierlich ausgenähete Jabot und die offene weiße Brust sogleich in die Augen fallen möchten. Denn«, bemerkt unser Gewährsmann in Parenthese, »man trägt die Oberhemden vorn offen, um dem schönen Geschlecht seine Ergebenheit zu bezeugen.« Ihr Gespräch, mit französischen Brocken, einem mon dieu! einem ma foi! einem je m'en demande pardon bestreut, »gleich dem Zucker auf einer Mandel- oder Wienertorte«, betraf größtenteils die »Aktricen«, – »O Madame Nouseul!« sagte der eine ächzend... Ein leichter Hauch von Frivolität liegt über dieser Epoche der Empfindsamkeit, für welche die »Sentimental Journey« nicht weniger typisch ist als »Werthers Leiden«, nur daß freilich nicht Mr. Yoricks Humor, sondern erst der Pistolenschuß Jerusalems dem Ding ein Ende machte.
    Der »Zirkel« – heute der große Sandplatz vor den Zelten – ward in jenen Zeiten von der Mode begünstigt und aufgesucht von allem, was elegant war in Berlin. Hier spielte der bunte Jahrmarkt des Lebens. Hier fand man die Schönheiten der Stadt, die Toiletten, den Reichtum, den Geist, den Witz und die Torheit derselben. Hier war ein Abglanz des Hofes. Neun Alleen zweigten von dem Zirkel ab, zu Ehren der neun Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Selbiges Reich ist gestorben, aber die neun Alleen sind noch da; und mögen sie lange noch mit ihren Eichen und Buchen und Kastanien und Ahornbäumen freudig wehen und rauschen zu Ehren des anderen Reiches, des neuen Reiches,dessen goldene Viktoria vom Königsplatz herübergrüßt zum alten Kurfürstenplatz.
    Nicht weit davon ist der Großfürstenplatz, neuerdings aus seiner langen Verwahrlosung wieder hergestellt, mit saftig grünem Rasen, Blattpflanzen, Springbrunnen und hübschen Sandsteinfiguren, welche die vier Flüsse Rhein, Weser, Elbe und Oder mit den Attributen der Schiffahrt und des Fischfangs, des Acker- und des Weinbaus darstellen – lauter Beschäftigungen, deren Bild zu sehen dem bürgerlichen Herzen wohltut. Im übrigen war dieser Platz zu einer eigenen Art von Berühmtheit gelangt durch einen Vorfall, über welchen die Bücher jener Zeit weitläufig berichten. Er ward nach einem russischen Großfürsten genannt, welchem der Prinz Heinrich, Bruder Friedrichs des Großen, allhier ein glänzendes Fest gab. Es scheint, daß die Berliner des 18. Jahrhunderts nicht weniger neugierig und schaulustig waren als ihre Nachkommen, die Berliner des 19. Jahrhunderts; und wie nun mehrere Tausende von ihnen versammelt waren, »mitunter im elegantesten Kostüm«, da brach plötzlich ein heftiger Gewitterregen auf sie herunter, und das weitere kann man sich denken. Dieses wichtige Ereignis notiert die Berliner Chronika zur Verherrlichung des Großfürstenplatzes; es ist das einzige, was sie von ihm zu sagen hat. Er führt noch immer seinen alten Namen; aber nur wenige wissen von dem Großfürsten und seinem Feste, von dem verwaschenen Puder, den ausgelöschten Schönheitsmalen, den goldbetreßten Röcken und seidenen Strümpfen derer, die es zu sehen kamen, und dem unauslöschlichen Gelächter derer, die sich zu Hause gehalten hatten und trocken geblieben waren. Weisheit und Narrheit – wieviel bleibt davon? – »Es ist alles eins über hundert Jahr«, sagt das Volkslied.
    Gerne geh ich diesen Weg am Ufer der Spree, welcherin alten Zeiten der Poetensteig hieß. Poetisch mutet er mich noch heut an, wenn ich bedenke, welche würdigen und gravitätischen Männer ihn vor mir gegangen sein mögen. Wer weiß, ob nicht Ramler hier manche seiner Oden skandiert hat, wie zum Beispiel jene »An die Stadt Berlin«:
    Sei mir gegrüßt, Augusta, meine Krone!
Die Städte Deutschlands bücken sich!
Es hören meinen Stolz Belt, Donau, Wolga, Rhone
Und weichen hinter mich!
    Oder wenn er, Friedrichs gedenkend, ausruft:
    Eilt, ihn in Erz den Enkeln aufzustellen!
Eilt, einen Tempel ihm zu weihn
Am Rande meines Stroms! Ich brenne, seine Schwellen
Mit Blumen zu bestreun.
    Jetzt freilich

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