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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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Figuren, wie ihr vor mir steht auf dem Bilde von Chodowiecki, dem verfeinerten Hogarth Berlins – ihr Püppchen, so zart und gebrechlich wie aus der Meißener Porzellanfabrik – Frauen in langen, schleppenden Gewändern, mit hoher Frisur und Puder darin, Männer in gestickten Röcken, mit Band und Haarbeutel, mit dem Hut unter dem Arme und dem Degen an der Seite, höfliche Männer, die sich unaufhörlich verneigen und galante Reden im Munde führen und den Damen die Cour machen. Rings ein Kichern und gedämpftes Lachen und anmutiges Geplauder unter den Bäumen des Tiergartens, welche diesen Salon im Freien mit ihrem Laubdach beschirmen. Eine Gruppe sitzt um einen Tisch: Ein sehr korpulenter alter Herr mit rundem Bauch und jovialem Gesicht erzählt seinen schönen Zuhörerinnen offenbar eine lustige Geschichte;ein sehr dünner junger Herr, der vielleicht eben »Die neue Héloëse« gelesen hat und in zwei Jahren gewiß »Werthers Leiden« lesen wird, lehnt melancholisch an dem Stamm einer Linde. Zwei junge Damen, Hand in Hand, stehen ihm gegenüber; zwei andere junge Damen, gleichfalls Hand in Hand, enteilen über den Rasen. In den Zelten aber ist ein lustiges Treiben. Da kommen und gehen die Menschen und die Wagen, und M. Mourier, unter dem Zeichen der goldenen Gans, und M. Thomassin und M. Dortu machen ihnen die Honneurs. Fern über die Spree zieht träumerisch ein Schifflein, und eine Diana mit ihrem Hunde von weißem Stein schimmert durch das verschleiernde Grün.
    Etliche Jahre nachdem Chodowiecki sein Blatt gestochen, kam ein Fremder hierher, ein Anonymus, allem Anschein nach aus sächsischen Landen, ein Mann von Empfindung und beweglichem Temperament, der von dem Berliner Leben damaliger Zeit außerordentlich entzückt war und es in seinen »Bemerkungen eines Reisenden« (Altenburg, 1779) ein wenig in der Manier Sternes beschrieben hat. In Gesellschaft eines Predigers besucht er die Zelte – »die Zelter«, wie er sie nennt – »oder besser die Hütten, denn nur selten steht ein aufgeschlagenes Zelt da, und der Saal, welcher errichtet ist, hat die Form eines Zeltes und ist von Holz«. Hier nimmt der Reisende Platz mit seinem geistlichen Freund. »Wundern Sie sich nicht«, ruft er aus, »daß Prediger die Hütten besuchen. Man ist in Berlin nicht mehr so weit in der Weltkenntnis zurück, daß man es einem Geistlichen verargen sollte«, et cetera. Die beiden beginnen damit, ihre langen Pfeifen anzustecken; denn damals, in der glücklichen Zeit, rauchte man noch »lang«, und nicht nur zu Haus. Wenn man ausging, trug man in der einen Hand den Stock oder den Regenschirm, in der andern die lange Pfeife – so war der Berliner vor hundertJahren. »Die Aussicht von hinten zu ist majestätisch und prächtig«, sagt unser Reisender, der aber, als Weltmann und echtes Kind seines Jahrhunderts, mehr dem Spruche Popes huldigt: »The proper study of mankind is man« und demgemäß sich sogleich der Betrachtung des Anblicks vor den Zelten zuwendet. »Unter Tangelhütten sitzen an vielen Tischen allerlei Berliner aus allen Ständen. Schon die Mannigfaltigkeit der Röcke ist aufmunternd. Unter den Hütten, wo ich mich befand, pflegt sich der edlere Teil der Einwohner Berlins zu versammeln, weiter hin ist schon ein Abfall, und ganz am Ende sitzt Krethi und Plethi.« Es scheint, daß Messieurs Mourier, Thomassin und Dortu mittlerweile Konkurrenz bekommen und daß die bevorzugten Zelte damals die des Herrn Grüneberg waren. »Ich schildere Ihnen bloß die Grünebergschen Hütten«, fährt der Reisende fort. »Mitten unter den Tischen steht eine große Säule, an welcher einige Lampen hängen« – zur Bequemlichkeit für die Gäste, die sich daran ihre Tabakspfeifen anzünden. »Die Tische sind fast allemal besetzt. Beiläufig muß ich erwähnen, daß es Berliner gibt, die alle Tage, bis in den spätesten Herbst, den Tiergärten und die Grünebergschen Hütten besuchen. Die Gesellschaft ist buntscheckig genug. Eine Partie trinkt Kaffee, die andere Tee, eine dritte Bier und eine vierte, die vielleicht die Schwindsucht hat oder gern stark werden will, Wasser und Milch. Hier sitzt eine Familie, die den festlichen Geburtstag ihres vierjährigen Kindes begeht. Alt und jung, von eingeschrumpften Großtanten bis zum Jungen, dem zu Ehren diese Feier angestellt ist, herunter. Solchen Szenen mag ich gern beiwohnen. Der gutmütigen Mutter sah man die Freude, die das Herz in die Höhe schwellte, an, und der vor Wonne über den klugen

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