Bilder Aus Dem Berliner Leben
Königlichen Schlössern«. Dieser Prinz baute Bellevue, dessen ältesten Teil das ehemals von Knobelsdorffsche Landhaus bildet und dessen Park er vergrößerte, indem er den das Schloß umgebenden Teil des Tiergartens hinzunahm, so wie wir alles heute noch sehen. Der Bruder Friedrichs lebte noch (seit 1802 in Rheinsberg), als dessen Staat und Heer schon zusammengebrochen war; er überlebte seinen genialen Sohn, den Prinzen Louis Ferdinand, der bei Saalfeld fiel, und starb, ein Dreiundachtzigjähriger, ein Vergessener und Verschollener, im Jahre 1813. SeinNachfolger in Bellevue ward sein Sohn, Prinz August, nach der Schlacht bei Jena der Kriegsgefangene Napoleons, aber nachmals in den Feldzügen von 13 und 14 einer von den Rächern seines Geschlechtes und seines Vaterlandes, ein echt hohenzollernscher Held. Eine Siegestrophäe, die große, schwarze Kanone auf steinernem Postament im Schloßhof, und ein neueres Denkmal im Schloßgarten erinnern noch an ihn. Es ist dies eine Pyramide mit Adlern und Fahnen und dem Ausblick auf den großen Stern, wo die Pferdebahnwagen von Charlottenburg und dem Zoologischen Garten einander begegnen; aber denjenigen, der hier in der Abenddämmerung steht, vermag das Trappeln und Klingeln da draußen kaum aus seinen Träumen zu wecken, als ob die Schatten der Vergangenheit, die sich mit den Schatten der Nacht vermischen, die Wirklichkeit wären und die Welt, die vorüberstürmt, die roten und grünen Lichter, die man hin- und herfliegen sieht, das Unwirkliche. Man kommt sich wie verzaubert vor in diesem alten Garten; und indem man sich tiefer in denselben verliert, wird immer stärker das Rauschen des Nachtwindes in den Linden und Ebereschen, immer schwächer das Rollen der Wagen. Heimlich flüstert es in den Blättern und Zweigen, weite Wiesenflächen, aus denen die lauliche Brise den starken Geruch von Kräutern herüberträgt, dehnen sich vor uns aus; Palmengewächse klirren in der leisen Bewegung der Luft, und Schilfpflanzen neigen und biegen sich graziös und heben sich wieder empor in der eintretenden Stille. Man glaubt tausend Meilen weit von Berlin zu sein. Man hört das Murmeln eines Baches und geht über ein Brückchen. Man steht vor einem runden Pavillon mit Kuppeldach und Säulen. Er ist verschlossen. Alles totenstill. Der Kronleuchter hängt vom Plafond herab. In der Mitte steht ein Marmortisch. Die Sofas sind mit weißem Linnen überzogen, die Wändemit Fresken bemalt. Wann ist hier das letzte Fest gefeiert worden, und wo sind die Gäste, die hier versammelt waren? Mir ist, als schwebe sanfte Musik durch diesen dämmrigen Raum, ein Nachklang jener, welche Prinz Louis Ferdinand geliebt. Mir ist, als klinge silbernes Lachen an mein Ohr, wie jenes, durch welches Madame Récamier einst den Sieger von Kulm bezaubert. Wie viele Stimmen werden wach vor diesem Pavillon in der lieblichen Augustnacht! Einige erzählen mir von dem letzten Bourbon, der nach der Julirevolution hier in dem Schlosse Rast machte auf seiner Flucht von Schottland nach Böhmen; andere vom Prinzen Waldemar, dem kühnen Indienfahrer, der, von Tatendurst getrieben, die Weiden und die Spree und die beschauliche Ruhe von Bellevue mit den Palmen und dem Ganges und dem Abenteuer und der Schlacht im fernen Osten vertauschte, der unter dem Rotkreuzbanner der britischen Löwen und Leoparden gegen aufrührerische Scheiks kämpfte und frühe starb. Und endlich – ein Wintertag war's, der 27. Februar 1881, ein kalter, klarer nordischer Wintertag, da zog aus diesem nämlichen alten Schloß eine junge Prinzessin; und durch Triumphbögen auf dem kleinen Stern und durch Menschenwogen auf der Charlottenburger Chaussee, die nackten Bäume bis oben hinauf mit kleinen Jungen bevölkert, die in den Zweigen hingen und »hurra!« schrien, durch spalierbildende Gewerke, die berittene Schlächterzunft – wie das ihr Recht – voran, bewegte sich ein reichvergoldeter Galawagen, der Dienst getan haben mochte schon unter Friedrich Wilhelm I., und Reiter umher und Fahnen, ein unabsehbarer Zug unter dem mattblauen Winterhimmel mit nur etwas Sonne – und plötzlich, indem die einzelnen Trupps mit ihrer Musik vorübergingen, eine bekannte Weise ... eine Melodie, wie aus ferner Kinderzeit, aber versöhnend an diesem Tag und an dieserStelle – ein ganzes Drama der Weltgeschichte im Sinne der ewigen Gerechtigkeit abschließend –
Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
Deutscher Sitte hohe Wacht,
Wahre treu, was schwer errungen,
Bis ein
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