Bilder Aus Dem Berliner Leben
Bellevue, das sogar Delille besungen hat, und der viel bewunderten bronzenen Kanone, welche Prinz August (ein berühmter Held auch in der Prusse galante) eigenhändig von den Franzosen erobert haben soll. Nun kam das freundliche ›Rondeel‹, das mit einigen finger- und nasenlosen Steinfiguren geziert war und vom Volke: ›die Puppen‹ (hochdeutsch: ›die Pupfen‹) genannt wurde, sonst aber schon zu Knobelsdorffs Zeiten poetischer der ›große Stern‹ hieß. Rings geschnittene Hecken. Die Grenze Bellevues bezeichnete ein erhöhter chinesischer Pavillon, im Volke ›Regenschirm‹genannt.« Dieser Platz aber wurde von dem damaligen Berlin als so weit entlegen angesehen, daß »bis in die Puppen« ein Ausdruck für etwas sehr Entferntes, sogar Extravagantes wurde und als solcher – siehe Büchmann »Geflügelte Worte« – sich erhalten hat, nachdem die »Puppen« selber längst zu ihren Vätern und Müttern versammelt worden sind.
Ein fashionabler Platz war damals der »Hofjäger«, welchen die Älteren der gegenwärtigen Generation noch gekannt und mit seinen weiten Wald- und Wiesengründen unter ihrem Blick gleichsam haben hinschwinden sehen, bis Häuser und Straßen daraus geworden – das Schicksal, welches Moritzhof und Albrechtshof und noch so manche »Kaffeestation« des älteren Berlins mit ihm geteilt haben. Hier, auf der Landseite des Tiergartens, und in den Zelten, auf der Wasserseite desselben, war man sicher, zu der Zeit, wo Gutzkow noch als Knabe in den Feldern schwärmte und E. T. A. Hoffmann seine »Serapions-Brüder« schrieb, in den Nachmittagsstunden stets eine auserlesene Gesellschaft zu finden. Namentlich die Zelte scheint der Verfasser der wundersamen »Phantasiestücke in Callots Manier« geliebt zu haben. Zwei seiner Novellen läßt er hier beginnen, aus deren einer – »Fragment aus dem Leben dreier Freunde« – hervorgeht, daß man damals noch »hinten heraus auf dem Platz am Wasser« sitzen konnte, wo jetzt nur altes Gerümpel liegt und Hühner in unzähligen Scharen spazierengehen; während die andre – »Ritter Gluck« – mit einer anschaulichen Schilderung des Anblicks eröffnet, wie er sich dem Beschauer in jenen Jahren bot. »Bald sind alle Plätze bei Klaus und Weber besetzt; der Mohrrübenkaffee dampft, die Elegants zünden ihre Zigarros an, man spricht, man streitet über Krieg und Frieden, über die Schuhe der Madame Bethmann et cetera ... Dicht an dem Geländer, welches den Weberschen Bezirk von derHeerstraße trennt, stehen mehrere kleine runde Tische und Gartenstühle; hier atmet man freie Luft, beobachtet die Kommenden und Gehenden ... da setze ich mich hin. Immer bunter und bunter wogt die Masse der Spaziergänger bei mir vorüber, aber nichts stört mich ... Nur das verwünschte Trio eines höchst niederträchtigen Walzers reißt mich aus der Traumwelt ...«
Die Zigarre hatte in dem Berlin der zwanziger Jahre die Pfeife verdrängt, welche hier in den Zelten einstmals so tapfer gedampft. Aber man sagte nicht: » die Zigarre«, sondern: » der Zigarro«. Man ist versucht, wenn man das Wort heute liest, an Stroh zu denken, was ja denn auch zu dem Mohrrübenkaffee trefflich passen würde. Doch der Maler Eduard Lassen sagt in einer anderen von Hoffmanns Novellen – »Die Brautnacht« – daß »er für die Güte und Brennbarkeit der Zigarren einstehe, ungeachtet er sie nicht direkt von Hamburg bekommen, sondern aus einem Laden in der Friedrichsstraße erkauft habe«. Ein »Glimmstengel oder Tabaksröhrlein, wie die Puristen den Zigarro benannt haben wollen«, vermittelt »an einem schönen Sommerabende« die Bekanntschaft zwischen dem jungen Maler und dem Kommissionsrat Herrn Melchior Voßwinkel; und da besagter Kommissionsrat eine Tochter besitzt, welche die »Jugend, Anmut, der Liebreiz selbst« ist, so kann man sich das Weitere denken.
Das Orchester, welches dem auch in musikalischen Dingen so feinfühligen Dichter nicht wenig Schmerzen bereitet hat – mag er sich noch so weit weg setzen, immer hört er »die kreischende Oberstimme der Violine und Flöte und des Fagotts schnarrenden Grundbaß ... sie gehen auf und ab, fest aneinanderhaltend in Oktaven, die das Ohr zerschneiden« –, dieses Orchester befand sich im »Zirkel«, dem ehemaligen »Kurfürstenplatz«, wo man fünfzig Jahre früher die Perücken undden Puder, die Reifröcke und die zierlichen Hackenschuhe gesehen hatte und wo fünfzig Jahre später der Berliner Droschkenkutscher seinen Stand nahm. Die
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