Bilder Aus Dem Berliner Leben
Mobilmachung von 1859 entstandenen, in welchen er den Kaiser der Franzosen folgendermaßen harangiert:
Det Du uff Preußen 'nen Gieper hast, det jlooben wir Dir schon;
Wir wollen Dir aber nich als Gast, Du oller Kronensohn.
Und dennoch hat der Volkspoet der Ackerstraße, wie mir aus einer seiner späteren Effusionen hervorgeht, es erlebt, den also von ihm Besungenen als Gast auf der Wilhelmshöhe zu begrüßen. Ja, es ist wie ein Traum, wenn man auf dieses Vierteljahrhundert zurückblickt! Wohl steht noch das Haus an der Ecke, und ich erkenne den Laden, das Fenster und in den alten, halbverwischten Buchstaben das »eigene Fabrikat« – aber ach! – der Dichter und die Gedichte sind verschwunden, und nur die Zigarren sind geblieben und hohe Gebäudemassen ringsumher. Nach der ersten Veröffentlichung obiger Skizze (»Deutsche Rundschau«, April 1885) schrieb mir ein freundlicher Leser der genannten Zeitschrift: »Queva, von dem man nach Ihrer Schilderung annehmen sollte, daß er nicht mehr unter den Lebenden weile, verkauft zwar keine Zigarren mehr, dichtet aber nach wie vor« (»unter Assistenz seiner Tochter«, wie ein zweiter Korrespondent hinzufügt). »Die neuesten in Berlin gesungenen Leierkastenlieder haben ihn zum Verfasser.« Von dieser erfreulichen Tatsache, die mir übrigens nicht ganz unbekannt war, sei hier mit gebührendem Danke Notiz genommen. Die Acker- und die Gartenstraße, die damals hier, am Pappelplatz, ein Ende hatten, sind ins Grenzenlose hinausgewachsen, bis hinauf nach dem Humboldthain, mit neuen Straßensystemen zwischen sich, die jetzt zwei ganze Stadtteile, den »Wedding« und das »Spandauer Revier außerhalb« bilden. Prachtvoll erhebt sich in ihrer Mitte der Stettiner Bahnhof, und an ihrem Rande brausen unaufhörlich die Züge der Ringbahn, deren eiserne Stränge die Stadt umgürten.Arbeiter mit ihren Kindern auf den Armen stehen vor den Türen, und aus den Fenstern schauen Mann und Frau gar einträchtiglich auf die Bewegung in den Straßen und den Abendhimmel, der sich weit und golden gegen Westen spannt. Freilich, mehr Poesie war in der Welt, als Mutter Gräbert noch lebte und Herr Queva noch sang, da, wo jetzt Fabriken sind, hin- und hergehende Lokomotiven, hohe Häuser, Rauch und Lärm. Aber etwas ist die Prosa doch auch wert; und mitten unter diesen Fabriken und gleichsam umbrandet von der großen Arbeiterströmung steht ein schöner, äußerst solider Ziegelbau, durch einen stillen Hof vor den allzu lauten Stimmen der Straße geschützt und von Grün und Gartenanlagen gar freundlich umgeben. Es ist das Humboldt-Gymnasium, welches seit nunmehr zehn Jahren besteht – eine Stätte der Wissenschaft und eine Huldigung für sie, hier auf dem Boden der mechanischen Arbeit im äußersten Norden von Berlin. Es war eine verdienstliche Tat unserer Stadtverwaltung, dies Haus gerade in dieser Gegend zu begründen; und ich erinnere mich noch des ersten Direktors, des feinen, liebenswürdigen, leider allzu früh verstorbenen Schottmüller, mit welchem Vertrauen und Mut er an seine Kulturarbeit ging, als das Gymnasium nur erst in den untersten Klassen eröffnet werden konnte. Wenn er jetzt noch lebte, würde er sehen, wie die Anstalt floriert und es sowohl an Schülerzahl wie an glücklichen Resultaten mit den andern Gymnasien der Hauptstadt aufnimmt.
In der Bergstraße war es auch, wo ich durch eine Fülle frischen Grüns überrascht ward, dessen ich mich aus den früheren Jahren nicht entsann; und auf einmal, durch eine Pforte hereintretend, befand ich mich in einer außerordentlich belebten, gartenartigen Anlage. Dies ist der alte Sophienkirchhof, der in den dreißiger Jahren noch benutzt ward. Der ursprünglich älteste war der, denich meinen Lesern bereits gezeigt habe, in der Sophienstraße, welche gegen Ende des vorigen Jahrhunderts noch Kirchhofsgasse hieß. Hierauf ward der Kirchhof in die damals noch unbebaute Gegend vor das Hamburger Tor verlegt, zwischen die gegenwärtige Berg- und Gartenstraße, und vor etwa fünfzig Jahren geschlossen, nachdem man den neuen Sophienkirchhof noch weiter hinaufgerückt, über den heutigen Pappelplatz hinaus. Was mich immer und immer wieder auf diese Berliner Kirchhöfe zieht, das sind die Bilder und Erinnerungen der alten Tage. Wieviel irdische Größe, wieviel Ruhm und wieviel Unglück ruhen hier beisammen! Jeder Kirchhof dieser großen Stadt ist voll von Schatten, die wieder lebendig werden, wenn man ihre Namen nennt. Hier ist das Grab von
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