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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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gemacht und Billard gespielt; werden an einem Tische »belegte Stullen« und Würste verkauft, an zwei Büffets Bier, »die Weiße« und der »Gilka« geschenkt und Garten und Tische mit abgerissenem Papier bedeckt, da die meisten dieser Gäste sich ihre Mahlzeiten selber mitbringen. Und sie müssen sich für diese Gelegenheiten ganz gehörig verproviantieren; denn solch ein Vergnügen dauert lang. Es kommt noch der Luftballon, eine »Zaubersoiree«, die Illumination und das Feuerwerk, verbunden mit einem Militärkonzert, welches in früheren Jahren die Schlacht bei Leipzig darzustellen pflegte, jetzt aber, mit vielfachem Kanonendonner,gewöhnlich die von Sedan aufführt. Schon bedecken die roten, grünen, gelben und blauen Zettel mit einem Programm, welches an die fünfzig Nummern zählt, die Pforten dieser Musentempel extra muros; und mit Befriedigung entnehme ich einem jeden von ihnen, daß allhier, unter so viel Zerstreuungen, doch noch immer »Familien Kaffee kochen können«. Aber in die Form und Fassung dieses altehrwürdigen Ausdrucks ist ein gewisses Schwanken gekommen. »Hier können Familien Kaffee kochen« – so hieß es früher, und das war deutlich, das konnte man verstehen; diese fünf Worte hatten etwas Monumentales: Sie waren wie ein Paragraph der Verfassung, involvierten alle Möglichkeiten und schlossen jede Willkür aus. Was soll ich nun davon denken, daß es gleich auf dem ersten dieser Zettel heißt: »Hier können Familien an Wochentagen Kaffee kochen«. Nur an Wochentagen? – Das nimmt der Sache den halben Wert; und es beruhigt mich keineswegs, daß die beiden folgenden Zettel wieder einzulenken scheinen, indem sie sagen: »An allen Tagen können Familien Kaffee kochen«, und »Familien können zu jeder Tageszeit Kaffee kochen«, oder der vierte gar: »Den geehrten Damen ist die Kaffeeküche geöffnet«. Ah, ces Dames! – Diese »geehrten Damen« und noch mehr die höflichen Wirte machen mir bange; und ich muß gestehen, daß es mir, ein paar Tage später, als die Familien und der Kaffee bereits in vollem Gange waren, eine ordentliche Erleichterung gewährte, Zeuge zu sein, wie der höfliche Wirt Nr. 4 einen harmlosen Jüngling, der nichts Böses getan, außer daß er einen Blumentopf in den Armen hielt und sich, um besser nach der Bühne hin sehen zu können, ein wenig auf die Fußspitzen hob, nach alter guter Väter Sitte an dem Kragen nahm und aus dem Lokale warf. Dieser Zug von Gemütlichkeit rührte mein Herz und rettete meinen Glauben an die Zukunft; denn ein groberWirt und die kaffeekochenden Familien, die gehören nun einmal zusammen im Berliner Volksleben und werden nur miteinander daraus verschwinden.
     . .  .  .  .
    Wir befinden uns in einem Übergangsstadium, Straßen, Häuser und Menschen; und von dem Alten wird bald wenig genug mehr zu sehen sein, besonders in diesen Gegenden. Hier zum Beispiel, an der Ecke der Acker- und Elisabethkirchstraße, welch letztere damals, vor etwa zwanzig Jahren, noch gar nicht existierte, war ein kleiner Zigarrenladen, in welchem ich eine der merkwürdigsten Bekanntschaften meines Lebens machte. Der Eigentümer des Ladens, Herr Queva mit Namen, fabrizierte und verkaufte nämlich nicht nur Zigarren, sondern auch Gedichte, und beides, Zigarren und Gedichte, hing an einem Bindfaden aufgereiht vor seinem Schaufenster. »Eigenes Fabrikat« stand mit großen Buchstaben in weißer Farbe daran geschrieben. Herr Queva verfertigte seine Gedichte nicht gerade auf Bestellung; aber er besaß ein feines Ohr für die jeweilige Stimmung und richtete sich darnach ein, behandelte die Ausschreitungen der Mode, die Putzsucht der Köchinnen, die Krinolinen, die Figuren auf der Schloßbrücke, kurz, die Fragen der Zeit, mischte sich wohl auch in Politik, namentlich die äußere, da mit der inneren damals nicht viel zu machen war. Er war ein Herr in mittleren Jahren, von untersetzter Statur, ein schwarzer Bart umrahmte sein Gesicht, und ich erinnere mich, daß er immer gestickte Pantoffeln trug. So stand er hinter seinem Ladentisch, wenn ich an den Mittwochnachmittagen hierherkam, um ein Viertelstündchen mit ihm zu plaudern und von seinen inzwischen erschienenen neuen Gedichten zu kaufen. Denn diese schienen mir besser als seine Zigarren, weswegen ich mich ihm auch immer nur als ein Liebhaber der Poesie, niemals aber als ein Raucher von Professionzu erkennen gab. Einige seiner Verse sind mir noch im Gedächtnis, wie zum Beispiel die gelegentlich unserer

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