Bilder Aus Dem Berliner Leben
und vor deren Porträt in der historischen Abteilung unserer Jubiläumsausstellung wir gerne haltgemacht haben, versunken in die Betrachtung ihrer großen dunklen Augen, ihrer weichen Lockenfülle und ihres unsagbar lieblichen Gesichtes. Und um sie gruppiert oder einer nach dem andern an ihr vorübergehend die Schlegel, Karl Philipp Moritz, Mirabeau, Gentz, Frau von Genlis, die Humboldt, Jean Paul, Prinz Louis Ferdinand, Frau von Staël und zuletzt noch Schiller und Goethe. So weit, so groß war der geistige Horizont dieser seltenen Frau, welche von sich sagen konnte, »sie habe den glänzenden Stern Goethes auf- und untergehen sehen«. Und da war noch einer, der fast jeden Abend den weiten Weg von der damals noch so gut wie unbebauten Chausseestraße (zu der Zeit: Oranienburger Chaussee) nach der Neuen Friedrichstraße zurücklegte, mit einem brennenden Laternchen eingehakt in ein Knopfloch seines Rockes; denn damals gab es auf der Strecke noch keine Straßenbeleuchtung in Berlin. Der Mann war Prediger an der Charité und sein Name – Schleiermacher.
Die Zeiten sind vergangen und die Häuser verschwunden. Verschwunden ist das Haus der Herz; verschwunden auch, infolge des Durchbruchs der Kaiser-Wilhelm- und der Erweiterung der Neuen Friedrichstraße, das Haus der Beer, in welchem Michel Beer und Meyerbeer geboren worden sind und in ihrer Jugend gewohnt haben. Verschwunden ist das Haus der Veit und der Ries, der beiden vornehmsten jener ersten WienerEinwanderer unter dem Großen Kurfürsten. Einsam nur noch, zwischen all diesen Ruinen, steht das Haus der Mendelssohn, aus welchem so viel Licht hervorgegangen ist und in welchem, lange bevor Mendelssohn es besaß und mehrere Jahre bevor sie sich kennenlernten, Lessing gewohnt hat. Es war damals, was es heute wieder ist, ein Mietshaus, in welchem die Vögel aus- und einflogen; hier, während seines ersten Berliner Aufenthalts (1748-1851), lebte Lessing zusammen mit seinem Vetter Mylius, dem Freigeist, und hier auch haben wir es zu suchen, sein stilles Zimmer: »Das nie der Neid besucht und spät der Sonne Schimmer«...
Wunderbare Fügung, daß hier in demselben Hause, wo der jugendliche Lessing, zum erstenmal angeregt durch die bis dahin ihm fremde Umgebung, sein Lustspiel »Die Juden« verfaßte, der Mann leben und sterben sollte, dessen Bild ihm vorschwebte bei seinem edelsten und reifsten Werke – »Nathan der Weise«.
Fortan kann man sie sich nicht mehr getrennt vorstellen diese beiden, ihn, den großen Dichter und Kämpfer, und den andern, den sanften, zurückhaltenden, von der Natur selber stiefmütterlich behandelten Juden. Man dachte bald nach seinem Tod ernstlich daran, ihm ein Denkmal zu errichten, welches – man wird staunen, wenn man es heute hört – auf dem Opernhausplatz stehen sollte. Welch eine Figur würde der arme Weltweise dort auf dem unterdes zum Mittelpunkte des eleganten und modischen Berlins gewordenen und der militärischen Glorie Preußens gewidmeten Platze spielen, zu unser aller Betrübnis! Ein Komitee bildete sich, und eine Gedächtnisfeier wurde veranstaltet, für welche Ramler eine Kantate dichtete. Der Plan kam dennoch nicht zur Ausführung, und wir können, ganz abgesehen von dem Platze, sagen: glücklicherweise. Wenn Denkmäler einen Sinn haben, wenn sie, mit einiger Aussicht von derNachwelt anerkannt zu werden, der Ausdruck der öffentlichen Meinung und nicht nur das Zeichen persönlicher Begünstigung sein sollen, so war Mendelssohn kein Mann dafür. Nicht einmal sein Name, was allerdings weniger begreiflich ist, hat an dem Friedrichsdenkmal eine Stelle gefunden. Aber in dem Standbilde, welches nicht weit von dem Standbilde Goethes im Tiergarten Lessing erhalten soll, wird auch das Andenken Mendelssohns mit geehrt werden. Ich weiß nicht, da bis jetzt Entwürfe nicht vorliegen, ob an eine direkte Beziehung auf Mendelssohn in irgendeiner Weise gedacht ist. Das, was mir hier vorgeschwebt, ist unterdessen an dreien der Konkurrenzentwürfe zum Ausdruck gekommen: an dem von Otto Lessing (Büsten von Kleist, Nicolai und Mendelssohn in Nischen am Sockel), Börmel (Kant und Mendelssohn in ganzer Figur sitzend, links und rechts unter dem Sockel), Eberlein (Mendelssohn und Nicolai, Reliefporträts); und es ist demnach gegründete Hoffnung vorhanden, daß der mit der Ausführung des Denkmals betraute Künstler, Otto Lessing, der Urgroßneffe Gotthold Ephraims, den oben ausgesprochenen Gedanken verwirklichen werde. (Notiz vom 29. Januar
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