Bilder Aus Dem Berliner Leben
dem Forum von Rom; und Gesänge hört man hier, uralte, vor tausend Jahren gedichtet an den Uferndes Ebro, Melodien, meist in Moll, jener Tonart der Sehnsucht und Klage, nur selten durchblitzt von einem Aufschrei der Lust, aber immer kraus und phantastisch durchflochten von den Reminiszenzen der Länder, welche dies Wandervolk auf seinem Fluge gestreift.
Von nun ab jedoch geht die große Wandlung des 18. Jahrhunderts mit ihm vor, und mehr als irgendeine andere wird auch für die Juden Berlin die Stadt der Aufklärung. Sie haben hier spät eine Heimat gefunden, und lange noch bleiben sie Fremde, gänzlich außerhalb des eben mächtig erwachenden geistigen und politischen Lebens der Nation. Aber mit überraschendem Verständnis und der ihnen eigenen Gabe der Anpassung treten sie sogleich in diese Bewegung ein, als der Führer sich gefunden. Dieser Führer war Moses Mendelssohn, der Freund Lessings und der warme Bewunderer Friedrichs – er, der, glücklicher als der Dichter der »Minna von Barnhelm«, seinem großen König einmal Angesicht in Angesicht gegenübergestanden. Die Juden haben ein Gebet, welches sie verrichten beim Anblick eines gekrönten Hauptes, wie wenn gleichsam der Abglanz Gottes auf ihm ruhe. Von diesem Abglanz etwas fiel auch auf die Juden von Berlin, seitdem, an einem Samstagmorgen, Moses Mendelssohn die königlichen Gemächer von Sanssouci betreten. Ein neues, starkes Gefühl erwacht in ihnen, die bis hierher nur die Liebe zu ihrem Gott und zu ihrer Familie gekannt: die Liebe zum Vaterlande. Wir sehen sie geistig wachsen und sich entfalten unter dem ersten Sonnenschein, der ihnen zuteil wird, nachdem sie, ungezählte Geschlechter lang, in der Dunkelheit und Enge geweilt. Wir sehen einzelne von ihnen mehr in den Vordergrund der Öffentlichkeit hinaustreten, in das politische Leben eingreifend und mit einer Art offiziellen oder offiziösen Charakters bekleidet, wie jenen Veitel Ephraim, dessen Andenken und Name freilichnicht über jedem Zweifel erhaben sind. Seine Münzunternehmungen sind bekannt; bekannt auch, daß der ehrliche Moses Mendelssohn sich indigniert von dem Glaubensgenossen abwandte, der sich durch solche Spekulation bereichert. »Schlecht Geld ist es ohnedies«, schrieb (2. Oktober 1762) Lessing an Madame Nicolai, »herzlich schlecht, so schlecht, daß man sich ein Gewissen daraus machen muß, seine alten Schulden damit zu bezahlen.« Dennoch ist der Mann vielleicht nicht ganz so schlimm wie sein Ruf; was er tat, das tat er zumeist im Auftrag und immer mit Wissen und Willen des Königs, der den größeren Gewinn aus dieser ephraimitischen Münzverschlechterung zog; und was man dem König verzieh, dafür sollte man den Juden nicht verantwortlich machen. Es war die moderne Gestalt des Hofbankiers, der in einem früheren Jahrhundert Hofjude gewesen, wie der unglückliche Lippold, der in einem ähnlichen Vertrauensverhältnis zu Joachim II. gestanden und deswegen – verbrannt wurde. Diesem dagegen, Veitel Ephraim, ging es sehr wohl auf Erden und in Berlin. Er hatte neben seiner »Silberraffinerie«, gewaltigen Schmelzwerken, in denen an die tausend Menschen arbeiteten, einen prachtvollen Garten am Schiffbauerdamm, in welchem sechs Kolossalstatuen von Schlüter standen: Merkur, Juno, Bacchus, Flora, Leda, Venus, ursprünglich bestimmt, die Balustrade des königlichen Schlosses zu schmücken, und ein schönes Landhaus im Barockstil, welches von einer riesigen Platane beschattet ward. Alle diese Herrlichkeit ist lange dahin, seitdem die vormals ländliche Gegend des Schiffbauerdamms sich mit den Häusern der Friedrich-Wilhelm-Stadt bedeckt hat; wo der Garten Ephraims war, ist jetzt ein Stätteplatz, zwischen dessen aufgestapelten Ziegelsteinen, Kalk und Holz man vor einigen Jahren noch das wunderlich geformte Dach des Gartenhauses einsam und verlorenhervorragen sehen konnte, wenn man mit einem Zuge der Stadtbahn daran vorüberfuhr.
Völlig erhalten dagegen und noch immer eine Sehenswürdigkeit im alten Berlin ist das Palais, welches Ephraim sich an der Poststraßen- und Mühlendamm-Ecke durch den Oberbaudirektor Diterichs (1762) aufführen ließ. Lange hieß es »das Ephraimsche Haus« und wird heute noch von alten Berlinern so genannt. Ein Rokokobau von mächtigem Umfang, die Front in schöngebildetem Halbbogen die Ecke nach beiden Seiten abrundend, der mit feinem Gitterwerk aus Schmiedeeisen und zierlichen Gruppen aus Sandstein reich geschmückte Balkon von acht Säulen, mächtigen
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