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Bilder Aus Dem Berliner Leben

Titel: Bilder Aus Dem Berliner Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Rodenberg
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zuletzt, noch in seinem hohen Alter und Verfall, sich ein gewisses aristokratisches Ansehen bewahrt; es lag etwas erhöht über einer Freitreppe mit schöngeschmiedetem Gitter, und zwischen den reichornamentierten Fenstern des ersten Stocks waren Nischen und Säulen. Also hab ich es noch gekannt, bis es im April 1874 niedergerissen ward. Jetzt stehen hüben und drüben kolossale, meinungslose Neubauten, und nichts erinnert mehr an das Haus, in welchem der Witzigste der Franzosen, noch an das, in welchem der Witzigste der Deutschen bittre Betrachtungen anstellten über das Los der Schriftsteller in Berlin. –
    Intakt dagegen steht noch, wenige Schritte von hier, das Haus, in welchem ein andrer wohnte, der gleichfalls Anspruch darauf machte, sehr witzig zu sein, und es in der Tat auch war: Heines großer Rivale, Ludwig Börne. »Me voilà«, schreibt er am 18. Februar 1828, »ausgepackt und eingerichtet in meinem Privatlogis. Friedrichstraße Nr. 131.« Das Haus, zwischen Behrenstraße und Linden, nicht weit vom Ausgang der heutigen Passage, gehört noch immer den Logiers, und bis vor wenigen Jahren befand sich auch im Erdgeschoß desselben die nunmehr eingegangene Logiersche Buchhandlung. Börne, der als Jüngling im Hause der Frau Henriette Herz stürmisch unglückliche Jahre verlebt, war jetzt zu kurzem Besuch nach Berlin gekommen und sah seine alte Liebe wieder. »Ich habe sie in ihrem Sommer gesehen«, ruft er aus, – »eine Juno!« Fünfundzwanzig Jahre waren seitdem vergangen; die Herz, wiewohl man die Spuren ihrer Schönheit noch erkannte, hatte die Sechzig lang überschritten,und Börne war ein berühmter Mann geworden. Doch auch Heine hatte von sich hören lassen. Wenn er, in seiner Berliner Zeit, sich nach den Linden begeben wollte, so führte sein Weg ihn durch die große Friedrichstraße – deren Betrachtung ihm »die Idee der Unendlichkeit« veranschaulichte – dem Hause vorüber, in welchem fünf Jahre später Börne sitzen und schreiben sollte: »Wissen Sie, daß die Reisebilder hier nicht sonderlich gefallen? Man findet sie ungezogen, oft schmutzig. Die Varnhagen ist sehr aufgebracht, daß er sie ihr dediziert, ohne ihre Erlaubnis. Da findet man die Werke eines gewissen andern Schriftstellers ganz anders. Man lobt deren sittlichen Ton, und deren Feinheit, und deren Witz, und deren Scharfsinn, und deren Menge, und deren musterhafte Schreibart ...« Es ist ein bißchen viel auf einmal; es geht einem fast der Atem aus bei der Aufzählung all dieser Tugenden. Sie hatten beide keine geringe Meinung von sich, diese zwei nachmals Unversöhnlichen, und Börne hat gewiß nicht unrecht, wenn er von Heine sagt: »Dieser liebenswürdige Schriftsteller spricht von der Liebe bei Gelegenheit Kants, von Frauenhemden bei Gelegenheit des Christentums und von sich selber bei jeder Gelegenheit.« Schriften, Bd. VII, S. 257. Die Stelle ist französisch, in einem für den »Réformateur« geschriebenen Artikel. Doch ich muß gestehen, lieber als das anonyme Selbstlob des einen hör ich, wenn der andre frei hinausjubelt in alle Welt:
    Ich bin ein deutscher Dichter,
Bekannt im deutschen Land;
Nennt man die besten Namen,
So wird auch der meine genannt.
    Es ist eben der Unterschied zwischen dem »Talent« und dem »Charakter«, im Sinne des Atta Troll. Der Charakter wird Börne für immer bleiben; aber sein Witz hatetwas Gemachtes und heute schon Überlebtes. »Hier wird stark gewitzt «, heißt es in dem angeführten Brief, »und ich witze auch, Gott weiß, wie oft den Tag.« – Daheim, »im Hause des Buchhändlers Logier«, erzählt Gutzkow von ihm, »traf man ihn nur in dicke Tabakswolken eingehüllt, im langen Schlafrock und ein rotes Jakobinerkäppchen auf dem Haupte.« Börne selbst schreibt darüber an seine Freundin: »Sie haben recht, mich mit dem Rauchen zu necken. Ach! wie geht es mir darin so schlimm, ach! wie bin ich so zahm geworden! ... Meine Wirtin, die neben meinem Zimmer wohnt, ließ mich schon einige Male bitten, ich möchte doch nicht so viel rauchen, der Rauch zöge in ihre Stube. Ich ließ ihr antworten: Das könne ich nicht ändern, und sie möge die Spalten der Türe verstopfen.« Aber es scheint nicht, daß man sich dabei beruhigt habe. Gutzkow berichtet weiter: »Herr Logier bat ihn, unter diesen Umständen auf die Ehre, ihn länger in seinem Hause zu haben, verzichten zu dürfen.« Welchen Verlauf die Sache genommen, würde jetzt schwer zu ermitteln sein.
    Wir wissen nur, daß abermals fünf

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