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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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so besser“, sagte er mit derselben unbeweglichen Gleichgültigkeit.
    Er faltete seine Käseblättchen zusammen.
    Ich zeigte darauf: „Gute Chancen heute?“
    „Besser als die Quoten!“ brummte er.
    „Ach! ... Sagen sie,“ fuhr ich fort, so als wäre es mir plötzlich wieder eingefallen, „was hat er mit seinem Gepäck gemacht?“
    „Wer? Lheureux?“
    „Sein Gepäck? Meinen Sie seinen Koffer? Er hatte nur einen kleinen Koffer.“
    „Was ist damit?“
    „Hat er ihn nicht bei sich?“
    „Anscheinend nicht.“
    Der Bursche bedachte mich mit einem schrägen Blick, zögerte ein paar Sekunden, bis daß er wußte, wie er sich verhalten sollte, zuckte dann mit den Achseln:
    „Ach, danach müssen Sie die Polente fragen. Die haben alles einkassiert, den Verletzten und den Koffer... Bei dem Aufprall ist alles rausgeflogen... der Koffer ist aufgegangen, verstehen Sie, M’sieur?...Das war kein Luxuskoffer, nicht gesichert... Talmi...“
    „Talmistalles.“
    Er runzelte die Stirn.
    „Wie?“
    „Das könnte der Name eines Gauls sein, ist es aber nicht. Talmi-ist-alles. Die Kopie regiert, wenn Ihnen das besser gefällt.“
    „Jaja...“
    Wieder zuckte er mit den Achseln:
    „...Kurz, ich habe den ganzen Kram zusammengeräumt, so gut ich konnte, ein bißchen durcheinander, muß ich sagen, und die Polypen haben alles eingepackt... Haben den Koffer wohl aufs Revier gebracht oder in den Pfandstall geschmissen, was weiß ich.“
    „Ja, wahrscheinlich. Gut. Also, vielen Dank und mehr Glück für morgen!“
    Er antwortete nicht.
    Als ich durch die Tür ging, sah ich sein Spiegelbild.
    Er kratzte sich am Kinn, während mir sein müder Blick folgte. Ein paar Stunden Schlaf hätten ihm vielleicht nicht geschadet, und sein Bart, der in der gesunden Luft auf den Rennplätzen wuchs wie der Teufel, mußte höllisch jucken.
     

6
    Griechische Märchen
     
    Im Büro erwartete mich eine riesige Überraschung.
    Wen sah ich in dem für die Kundschaft reservierten Sessel, ein Paar Pekarilederhandschuhe auf seinem Hut, den Hut auf seinen Knien, die grauen Augen auf das hübsche Profil von Hélène Chatelain gerichtet, die geschäftig auf der Schreibmaschine tippte?
    Meinen morgendlichen Verfolger.
    Als ich eintrat, stand er auf und verneigte sich förmlich.
    „Gute Tag, Monsieur Burma“, sagte er.
    Seine Stimme war nicht unangenehm. Sie hatte einen leicht singenden Tonfall, und ein undefinierbarer Akzent legte sich manchmal auf die eine oder andere Silbe, leicht wie ein Vogel, unmerklich.
    Ich grüßte zurück und ging sofort zum Angriff über:
    „Ich glaube, wir haben uns bereits gesehen, Monsieu-r... äh... Monsieur
    Hélène hörte auf, ihre Maschine zu quälen, warf einen Blick auf ein Blatt Papier vor ihr und sagte, bevor der Besucher noch seinen Mund öffnen konnte:
    „Kirikos.“
    „Bi, Mademoiselle“, verbesserte er höflich lächelnd. „Biri-kos. Nicolas Birikos.“
    „Das ist doch das gleiche“, sagte Hélène.
    Offenbar gefiel Monsieur Bibi-Kokoricos meiner Sekretärin nicht, mit seinem krausen Haar, seinem festen Kinn und seinem dünnen Schnurrbart über den schmalen Lippen.
    „Wenn Sie meinen“, räumte der Grieche säuerlich ein.
    Man hatte ihm wohl erzählt, daß es ungalant ist, einer Pariserin zu widersprechen.
    „Wie ich schon sagte, Monsieur Birikos“, begann ich wieder, „haben wir uns bereits gesehen.“
    „Das ist gut möglich.“
    „Sie haben heute morgen in der Hotelhalle des Transocéan die Fliegen beobachtet.“
    „Ich wohne tatsächlich in diesem Hotel. Aber in dieser Jahreszeit gibt es in Paris keine Fliegen.“
    „Das war bildlich gemeint.“
    „Na so was!“ entfuhr es Hélène, als sie begriff, daß wir es mit meinem Verfolger zu tun hatten.
    Sie sagte es nicht, aber ihre Augen riefen: ,Der macht sich aber nicht gerade die Hosen voll!’ Sie vergaß, daß griechische Wachsoldaten meistens Röcke tragen.
    „...Und nachdem Sie die Fliegen beobachtet haben,“ fuhr ich fort, „haben Sie sich in eine verwandelt und sind über mich hergefallen.“
    Er lächelte. Honigsüß. Verneigte sich. Er hatte offensichtlich ein sehr geschmeidiges Rückgrat.
    „Dieses Bild verstehe ich. Mit anderen Worten, Sie haben bemerkt, daß ich Ihnen gefolgt bin.“
    „Ganz richtig.“
    „Ich will nicht sagen, daß ich nur in der Absicht gekommen bin, um mich dafür zu entschuldigen, Monsieur, aber fast...“
    „Zur Sache“, sagte ich. „Was kann ich für Sie tun?“
    Er zögerte, dann:
    „Nichts. Ich

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