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Bilder bluten nicht

Bilder bluten nicht

Titel: Bilder bluten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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spuckte er. „Ich begnüge mich damit, Schürzen hinterherzujagen, und meine ganze Freibeuterei besteht darin, daß ich den Fiskus betrüge, natürlich im erlaubten Maße, da ich zur Anständigkeit erzogen wurde. Ich sage Ihnen, alles gefälscht. Es herrschen Talmi und Ersatz. Sehen Sie, es scheint so, daß sogar dort drinnen...“
    Aggressiv wies er mit dem Kinn auf das Bullauge. Auf der anderen Seite des dicken Glases erhob sich der Palast des Louvre.
    „In diesem Museum, wenn wir den Zeitungen glauben sollen,
    Er deutete auf ein Exemplar des Crépuscule, das auf dem Tisch lag:
    . .werden Fälschungen den dummen Massen zur Bewunderung vorgesetzt. Finden Sie das nicht komisch?“
    „Nein“, sagte ich lachend. „Weil Ihre Geschichte mit der Fälschung auch falsch ist, wenn Sie verstehen, was ich meine. Die Zeitungen sprechen von einer Raffael-Kopie... Darauf spielen Sie doch an, nicht wahr?“
    »Ja.
    „Die Zeitungen behaupten nicht, daß diese Fälschung sich anstatt des Originals in der Sammlung des Museums befand.“
    „Aber so gut wie. Ich weiß, was ich sage, und ich habe meine eigene Meinung darüber...“
    Ich spitzte die Ohren, ließ sie aber wieder hängen, als er hinzufügte:
    „...Und das nicht erst seit gestern. Ich habe sie seit 1912 Für mich war das etwas lange her.
    „Ja, Monsieur. Seit die Mona Lisa gestohlen wurde und dort drinnen wieder ihren Platz eingenommen hat, ist man nicht sicher, ob das nicht eine Fälschung ist. Das sind geschichtliche Tatsachen. Der Raub der Mona Lisa, jener Mona Lisa, die der respektlose Marcel Duchamp am Anfang der Dada-Bewegung mit einem Schnurrbart versehen hat, Sie waren noch ganz klein, als der Raub begangen wurde, aber Sie haben sicherlich davon gehört...“
    „Wie jeder.“
    „Ein großer Dichter, ein Avantgardist, bekam damals deswegen Scherereien. Das ist das Los der Dichter! Entweder sie machen Scherereien, oder sie bekommen welche. Die Scherereien laufen ihnen einfach hinterher. Er hieß Guillaume Apollinaire. Kennen Sie ihn?“
    „Aus dem Radio.“
    „Hm...“
    Er bemühte sich nicht, seine Geringschätzung zu verbergen, und fing an, mich zu belehren:
    „...Ein sonderbarer Mensch, dieser Dichter. Wurde im Krieg verwundet und starb am 11. November 1918, während die Leute unter seinem Fenster im Sprechchor riefen: ,Nieder mit Guillaume... Nieder mit Guillaume...’. Diese Rufe galten offenbar Guillaume von Hohenzollern, dem Alten Kaiser Wilhelm, aber immerhin...“
    „Das war ein sehr makabrer Humor“, gab ich zu.
    „Der dem Dichter aber wohl nicht mißfallen hat, im übrigen...“
    Als ich kurz darauf Monsieur Pierre Corbigny verließ, dachte ich, daß es nicht verwunderlich war, wenn Zavatter ihn für bekloppt hielt. Bei solchem Gequatsche...
    Zavatter hatte mit Dichtern nicht viel am Hut. Als ich einmal ihm gegenüber den Namen Stéphane Mallarmé erwähnte, dachte er, es handele sich um einen Gangster, den man so getauft hatte, weil er keinen einwandfrei funktionierenden Revolver hatte.
     
    ***
     
    Wieder auf festem Boden, ging ich in ein Bistro und telefonierte mit dem Zentralkrankenhaus, um mich nach dem Befinden von Louis Lheureux zu erkundigen. Ich erfuhr, daß es zufriedenstellend war, und schlug dann den Weg zu meinem Büro ein.
    Ich machte einen Umweg, um beim Hotel in der Rue de
    Valois vorbeizugehen. Der Junge, Albert - ich weiß nicht, ob ich seinen Namen schon genannt habe -, nahm gerade seinen Dienst auf. Seine frische Gesichtsfarbe zeugte von einem Tag im Freien. Auf seinem kleinen Tisch warteten zwei Turfblätter und ein Bleistift auf den Startschuß.
    Der Bursche schien nicht sonderlich begeistert, mich zu sehen. Er mußte, wie viele, meine Anwesenheit für einen Vorboten von Ärger halten... und er brachte mich mit diesem Lheureux in Verbindung, der bei einem Unfall vor dem Haus verletzt worden war, wobei beinahe das Schaufenster zu Bruch gegangen wäre. Trotzdem hätte dieser undankbare Flegel nicht vergessen dürfen, daß ich ihm fünfhundert Francs zugesteckt hatte.
    „Guten Tag, M’sieur“, brachte er dennoch hervor, mehr aus Gewohnheit als aus Freundlichkeit.
    „Ich kam gerade vorbei“, sagte ich. „Ich bringe Ihnen Nachricht von Ihrem Mieter.“
    „Ach, ja! M’sieur Lheureux?“
    „Ja.“
    „Und?“
    Er bemühte sich nicht zu verbergen, daß ihn Lheureux herzlich wenig interessierte, Lheureux, sein Gesundheitszustand und alles, was damit zu tun hatte.
    „Er wird nicht daran sterben“, sagte ich.
    „Um

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