Bilder bluten nicht
galt für Mademoiselle Levasseur. Die Leiche war, wie von Faroux vorgesehen, „von mehreren Personen aus den Kreisen des Verstorbenen“ identifiziert worden.
Zurück aus dem Restaurant, rief ich, sozusagen als Dessert, die Nobelherberge an, die ein Feind unpopulärer Reklame war. Nicht die Bohne kam dabei heraus. Mademoiselle Levasseur war immer noch nicht im Hause. Kurz darauf läutete das Telefon. Am anderen Ende der Leitung Roger Zavatter, der Süßwassermatrose:
„Salut, Chef. Wir haben angelegt.“
„Von wo aus telefonieren Sie?“
„Von einem Bistro bei den Quais.“
„Ich dachte, Sie würden dafür bezahlt, daß Sie keinen Schritt von Corbigny weichen.“
„Das ist ein Spinner, dieser Corbigny!“ platzte er heraus. „Wenn ich mir vorstelle, daß immer genau diese Leute vor Geld stinken! Zum Kotzen. Wie er sagt, geht ihm jeder auf den Wecker. Er ist auf neunundneunzig. Die Nerven eben! Ich habe den Eindruck, er will auf unsere Dienste verzichten. Das Schloßleben wird nicht lange dauern. Man müßte ihm Angst machen, irgendwelche Feinde erfinden, also, ich weiß nicht..
„Sie würden doch gerne für länger sein Leibwächter bleiben, hm?“
„O Gott“, lachte er. „Niemals harte Schläge, aber immer weiche Polster... Ein Zuckerschlecken. Man müßte das Vergnügen verlängern können...“
„Corbigny ist ein Klient. Ich muß ihn mindestens einmal sehen. Ich komme. Wo genau sind Sie?“
„Am Port du Louvre.“
„,Die Rote Blume von Tahiti’, nicht wahr?“
„Nein. Diese Blume ist verwelkt. Motorschaden. Aber dieser Corbigny schwimmt im Geld. Er besitzt noch eine Jacht. ,Sonnenblume’. An Bord dieser Blume sind wir jetzt.“
„Rote Blume... Sonnenblume... Immer in Blüte, möchte man meinen, hm?“
„Jedenfalls zahlt er nicht mit Blüten,“ schloß Zavatter, „und deswegen wäre es schade, ihn zu verlieren.“
***
Die schmucke Jacht schaukelte sacht auf dem gelblichen Wasser der Seine zwischen dem Pont du Carrousel und der Passerelle des Arts. Mit ihren aufgegeiten Segeln, wenn ich mich richtig ausdriicke, und ihren umgelegten Masten glich sie, mehr als die anderen, einer großen Barke. Einer von der Mannschaft, Typ Seewolf auf Ansichtskarten, stand auf der Brücke, bekleidet mit einer Hose aus dickem Tuch, einem blauen Trikot aus grobem Leinen und einer Matrosenmütze. Er beobachtete einen Zug von Lastkähnen, der auf der Mitte des Flusses dahinglitt. Ich betrat die wippende Laufplanke, die die „Sonnenblume“ mit dem Ufer verband. Er drehte sich um und kam mir entgegen. Seine Mütze war, in bester Tradition, mit einem Anker versehen. Zur Vervollkommnung der Kulisse fehlten nur noch ein paar Nebelschwaden. Aber der leichte Dunst, der in den ersten Morgenstunden über Paris hing, war von der Mittagssonne ohne Hoffnung auf Wiederkehr vertrieben worden, wenigstens für heute.
„Salut, Admiral“, sagte ich. „Ich heiße Nestor Burma. Ihr Chef weiß, wer ich bin. Wenn das hier nicht ,Kapitän’ heißt.“
„Chef genügt“, erwiderte der Seemann für Kreuzfahrten auf dem großen Kanal von Sceaux. (Er sah auch aus, als finge er den Kabeljau eher an den Bänken von Sewastopol als an denen von Neufundland.) „Er ist kein Kapitän, und ich bin kein Admiral.“
„Nicht böse sein. War nur ein Scherz.“
„Schon gut“, sagte er. „Was...“
Roger Zavatter tauchte aus der Kabine auf und unterbrach ihn:
„He, Gus! Laß ihn durch. Das ist mein Direktor.“
Ich ging zu meinem Mitarbeiter. Hinter ihm betrat ich eine luxuriöse Kabine, die geschmackvoll und komfortabel eingerichtet war. In einem Sessel saß ein kleiner, sehr typischer Alter mit weißen Haaren und leicht safrangelber Haut. Spitze Nase und ebensolche Zähne. Er rauchte mit mürrischem Gesicht eine Zigarre.
„Darf ich vorstellen: M’sieur Burma, M’sieur Corbigny“, sagte der Leibwächter.
Der alte Kauz stand geschmeidig auf, deutete ein Willkommenslächeln an und gab mir die Hand. Seine war pergamentartig und sehnig.
„Wie geht es Ihnen, Monsieur Corbigny?“ fragte ich. Ich gab Zavatter ein Zeichen; er sollte auf dem Deck nachsehen, ob Kähne vorbeifuhren. Er ging hinaus.
„...Sie sind ein Kunde der Agentur Fiat Lux“, fuhr ich fort. „Wir haben bisher nur brieflich miteinander verkehrt, aber da sich mir die Gelegenheit bot, Ihre Bekanntschaft zu machen, bin ich sofort gekommen. Ich lerne meine Kunden gerne anders als auf dem Papier kennen. Ich hoffe, ich störe Sie nicht?“
„Mich
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