Bilder von dir: Roman (German Edition)

die beiden Gruppen sich kaum über den Weg liefen. Es konnte allerhöchstens passieren, dass Highschool-Schüler, die jüngere Geschwister hatten, diesen mal kurz alles zeigten, sie dann aber wieder nach Hause brachten und zum Ball zurückkamen, der bis nach Mitternacht ging.
    »Oder bis sie uns von der Bühne verjagen«, hatte Patricia gemeint, als sie verkündete, dass Insane Armhole, ihre auf die Schnelle zusammengestellte Band, ihr Debüt in dem nämlichen Raum geben werde, wo sie sich einst geweigert hatte, Volleyball zu spielen, mit der Begründung, es verletze ihr verfassungsgemäßes Recht, nach Glück zu streben. Sie hatte einen Gitarristen gefunden: einen sehr kleinen Kollegen bei McD’s namens Chas, dessen Kopf kahl rasiert war und der es lustig fand, durch die Gegensprechanlage des Drive-in existenzielle Fragen ins Nichts zu sprechen. Als Eugene in seinem Impala Vlad mit Oneida auf dem Beifahrersitz vorfuhr, war ihm das Vergnügen zuteilgeworden, aus dem Kasten BESTELLEN SIE HIER eine Tirade über den Mythos der von der kapitalistischen Gesellschaft für sich vereinnahmten objektiven Wahrheit zu hören.
    Patricia meinte, der Schlagzeuger, den sie organisiert hatte, sei durchgefallen, aber Eugene ahnte die Wahrheit: Sie hatte sich gar nicht erst um einen bemüht. Ihre Mutter war eine viel bessere Schlagzeugerin als alles, was Patricia im Internet oder an den Schwarzen Brettern des Community Colleges finden konnte. Und Maggie sagte: »Aber ja, warum nicht?«, als habe man sie tatsächlich gefragt, wo doch alle wussten, dass ihre Tochter, hätte sie sich gesträubt, einen Wutanfall atomaren Ausmaßes hingelegt hätte.
    Und jetzt waren sie da, nachdem ihre CD mit gruseligen Coverversionen von der Oberstufe und dem Rotary-Klub von Ruby Falls, den Co-Sponsoren des Halloween-Karnevals, für Halloween-tauglich und für gut befunden worden war. Eugene hatte sie gar nicht proben hören – er steckte viel zu tief in seiner eigenen Welt oder versuchte seine Welt auf die von Oneida prallen zu lassen –, doch für zwei Drittel der Band konnte er sich verbürgen. Insane Armhole konnte nicht schlimmer sein als die anderen Bands, die Eugene auf dem Halloween-Karneval gehört hatte. Es waren immer lokale Bands gewesen mit Tendenz zu Bauch und Körperbehaarung, alt genug, um der Elterngeneration anzugehören, und in ihrem Repertoire auf die größten Hits von Crosby, Stills, Nash & Young und The Doors beschränkt. Patricia hingegen hatte sich, wie sie es selbst ausdrückte, Carrie White zum Vorbild genommen. »Ich möchte die Ohren zum Explodieren bringen«, ließ sie ihn wissen. »Ich möchte alle zum Kreischen bringen. Ich möchte die Turnhalle in akustischen Flammen aufgehen sehen.«
    Dein Wunsch wird in Erfüllung gehen , sagte sich Eugene. Verhängnis hing in der Luft. Es vermischte sich mit dem gespenstischen Gestank Tausender verschwitzter Teenager, die in diesem Raum gerannt waren, getanzt und Federball gespielt hatten, Tage und Monate und Jahre, bevor Eugene Wendell an einer wackeligen Bühne lehnte und sich am liebsten übergeben hätte. Er hatte Oneida Anfang der Woche gefragt, ob sie mit zum Ball gehen wolle, und jetzt demnach keine Chance mehr, die Sache abzublasen, ohne wie ein – nun ja, ohne dabei auszusehen, als hätte er plötzlich Schiss bekommen. Was er dann auch würde erklären müssen, denn wenn nicht, würde er sie damit letztendlich verprellen. Und das, obwohl sie bewaffnet war. Es war schon unheimlich genug, ihr nah zu sein und Dinge zu erzählen, aber es wäre noch viel unheimlicher, sie ausgestattet mit einer Information, die einer Bazooka gleichkam, wegzuschicken, denn, so verschmäht, hätte sie auch einen Grund, diese einzusetzen.
    Er hatte sie ein paar Mal im Unterricht gesehen, aber den ganzen Tag nicht mit ihr gesprochen. Doch es gab keinen Grund anzunehmen, sie werde nicht kommen, obwohl es ihm tatsächlich das Liebste wäre. Trägheit, dachte Eugene, Trägheit könnte den Tag noch retten. Sie käme, sie würden tanzen, sie würden knutschen. Alles wäre gut. Vielleicht nähme er sie mit raus zu seinem Wagen auf dem Parkplatz und versuchte sie zu lecken. Wieder eine beunruhigende Perspektive, aber weniger beunruhigend als die unvermeidliche Schlussfolgerung, dass seine Familie auseinandergerissen wurde, seine Mutter fliehen und sein Vater ins Gefängnis musste, und das alles nur, weil er sein blödes Maul aufgemacht hatte.
    Chas stimmte seine Gitarre, der Verstärker knackte und