Bilder von dir: Roman (German Edition)
nachdem sie die Nacht mit David Danger verbracht hatte, was in letzter Zeit öfters vorkam. Aber in dieser letzten Nacht hatte sie mit ihm die Nacht im ganz euphemistischen Sinn der Worte verbracht – sie hatte Sex gehabt, zum ersten Mal in ihrem Leben, und das war so seltsam und so erregend, und sie wusste nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Es war ganz anders, als sie erwartet hatte. Es war linkisch und es tat weh, und sie glaubte auch nicht, dass sie gekommen war. Jedenfalls hatte sie sich unter einem Orgasmus etwas Aufregenderes vorgestellt als – das. Dieser schien nämlich zu den Dingen zu gehören, die man, falls sie tatsächlich stattgefunden hatten, keinesfalls in Zweifel ziehen würde. David war lieb gewesen, und sie hatte sich auch nicht benutzt gefühlt, es war ihr auch nicht peinlich, und sie hatte auch nicht das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben, aber zurück blieb ein bohrendes, ein verschwommenes Gefühl, als hätten ihr Geist und ihr Körper aufgehört, miteinander zu kommunizieren. Sie fühlte sich schwammig. Sie war müde und hatte ein wenig Hunger. Es war sechs Uhr morgens, und sie wollte schlafen gehen. Die Tür war offen. Mona hätte es nicht tun sollen, aber sie betrat das Motelzimmer. Mona hätte es nicht tun sollen, aber sie rief nach Amy. Mona hätte es nicht tun sollen, nachdem sie die blutigen Laken auf dem, was Amys Bett gewesen war, sah, aber sie ging weiter, vorbei an ihrem eigenen Bett, ins Badezimmer. Dort war der Streifen braunen Bluts, der auf der rosa Fliese trocknete. Rotes Blut, das sich leuchtend von der weißen Porzellanwanne abhob. In der Wanne. Es bewegte sich nicht. Es sah nach nichts aus. Es war schrumpelig und violett und es bewegte sich nicht.
Ach herrje, Amy, sagte sie sich. Oh Amy. Um Himmels willen.
Vergangenen Abend – sie hatte vergangenen Abend von David aus angerufen, damit Amy wusste, wo sie war, und um ihr zu sagen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte – da hatte Amy sich wie Amy angehört, ganz normal. Amy sagte, sie werde sich Emergency Room anschauen und zu Bett gehen und sie werde Mona dann am Morgen sehen. Seit Mona Amys Zimmermädchenschicht im Seahorse übernommen hatte, verließ Amy kaum noch das Motelzimmer, aber sie machte nicht den Eindruck, glücklicher oder weniger glücklich zu sein als sonst. Sie schaute viel Fernsehen. Sie nuckelte an Eiswürfeln aus dem rosa Plastikeimer, den sie mindestens dreimal am Tag auffüllte. Mona sorgte dafür, dass sie etwas aß, brachte Pizzen und Salate und Gebäck mit aus dem House of D’Angier. Mona kümmerte sich auch darum, dass sie aufstand und herumlief. »Dieses Eingesperrtsein ist gar nicht so schlimm«, sagte Amy eines Abends, als sie sich Wiederholungen von Saturday Night Live ansahen und dazu Chicken Wings aßen. »Abgesehen davon, dass ich so verdammt fett bin.«
Hatte sie das die ganze Zeit geplant gehabt? Mona hatte die Nächte oft bei David verbracht, aber hatte Amy absichtlich auf eine Nacht gewartet, in der sie nicht da war – hatte man das in der Hand? Konnte man die Wehen derart kontrollieren? Wie hatte sie das gemacht – wie hatte sie dieses Baby herausgepresst, ohne jemanden aufzuwecken, ohne in Ohnmacht zu fallen, ohne zu sterben? Weil sie Amy war, sagte Mona sich. Weil sie Amy Henderson war und immer nur genau das tat, was sie tun musste. Aber diese Handlung war so monströs, dass es ihr kalt über den Rücken lief; Mona konnte sich einfach nicht vorstellen, wie Amy dazu hatte fähig sein können. Es herauszupressen und dann zurückzulassen. Mona blieb die Luft weg.
Es war so klein. Es war zu klein.
Mona bekam wirklich keine Luft mehr. Gleich würde sie ohnmächtig werden. Sie hielt sich am Waschbecken fest und zwang sich, die Luft aus ihren Lungen zu pressen. Diese entwich fiepend, anfangs nicht mehr als ein Jammern, das sich jedoch ganz langsam aufbaute und zum schrillen Geheul anschwoll.
Das Baby öffnete den Mund, rund und dunkel wie eine Weintraube, und kreischte zurück.
Mona und das Baby kreischten einander an: Das Baby, es war ein Mädchen, öffnete die Augen und starrte Mona an. Nie war Mona erschrockener gewesen. Nie hatte sie sich lebendiger gefühlt und nie mehr diese Gewissheit besessen, dass sie eines Tages sterben würde. Nie mehr fühlte sie sich von einem anderen lebendigen Wesen so gebraucht wie von diesem Mädchen in der Wanne, winzig, schrumpelig, violett, verlassen. Mona riss eins der rauen weißen Handtücher, die vom vielen Bleichen steif
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