Bilder von dir: Roman (German Edition)
war nicht mehr verankert und trieb namenlos umher.
Und dann schleppte er auch noch das Schlagzeug seiner Mutter in die Turnhalle seiner Highschool. Wieder so eine Sache, die zu allen anderen dazukam, die sich von Grund auf falsch anfühlte. Doch er redete sich ein, dass es, selbst ohne sein Ausplaudern, ein komisches Gefühl wäre, seine Mutter auf einer improvisierten Bühne unter dem Basketballkorb zu sehen, wo sie sich ihre Haare zum Pferdeschwanz zusammenband und sich mit John LoCosta, dem zweiten Klassensprecher und König aller Volltrottel, über die Beschallungsanlage unterhielt.
Und dabei war Halloween immer sein liebster Feiertag gewesen.
»Heb die auf, Donnie!« Patricia, die eine Tomtom im Arm hielt, ging rechts an ihm vorbei.
Was hat das jetzt schon wieder zu bedeuten? Zu Eugenes großem Erstaunen war es ihm möglich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ja sogar die ganze Turnhalle mit einer Bassdrum zu durchqueren, und dies, obwohl er spürte, dass sich über ihm ein Verhängnis zusammenbraute. O Patricia , sagte er sich mit einem flauen Gefühl im Magen, während er sie im Schnellschritt vor sich herlaufen sah, du hattest recht, so recht . In den frühen Morgenstunden während einer Recherche im Internet über Kunstfälschungen war seine Angst derart übermächtig geworden, dass sein unter Schlafentzug leidender Verstand sich zu einer Reihe erschreckender Thesen verdichtet hatte: Schwindel – schwerer Diebstahl – Kerkerhaft – Flucht – und Elmyr de Hory, der nach Auskunft von Wikipedia so was wie ein Rockstar unter den Fälschern war und seine letzten Jahre auf Ibiza verbracht hatte, bevor er am Vorabend seiner Auslieferung Selbstmord beging. Er hätte sich vor Gericht wegen absichtlicher Fälschungen in etwa acht Millionen Anklagepunkten verantworten müssen. Was Astor da machte, war dumm. Was Astor tat, war illegal. Was Astor tat, würde seine Familie auseinanderreißen. Was Oneida wusste, würde seine Familie auseinanderreißen.
Er hatte, vor langer Zeit, seine Chance gehabt, das zu begreifen; Patricia hatte versucht, ihm dabei zu helfen. Patricia hatte versucht, ihn wachzurütteln, aber er hatte sich dafür entschieden, seinen Kopf nur noch tiefer in den Sand zu stecken. War sogar so weit gegangen, sein eigenes falsches Kunstwerk zu erschaffen. Er hatte Arthur, der ein netter Kerl war und den Eugene wirklich mochte, überlistet – und das war ein so schlimmes Vergehen, dass er sich dessen Ausmaß kaum vorstellen konnte. Die Wendells waren so im Arsch, sie konnten unmöglich gerettet werden. Es war nur noch eine Frage der Zeit, aber Eugene hatte die Lunte angezündet.
Patricia stellte die Tomtom auf der Bühne ab und sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. »Hübsches Kostüm, Donnie«, sagte sie. Dabei zeigte sie auf sein T-Shirt. Er trug Jeans, Turnschuhe, ein graues Kapuzenshirt und ein schwarzes T-Shirt mit einem weiß leuchtenden Brustkorb darauf. In Anbetracht seiner strengen Regeln, was das Verkleiden betraf (nur noch konzeptuelle/ironische Kostüme, wenn man älter als zwölf Jahre war), fand er, dass er sich Mühe gegeben hatte. Aber Patricias Andeutung, seine Kleidung sei tatsächlich als eine Art Charakterkostüm zu identifizieren, nahm er als weiteres Zeichen dafür, dass hinter den Kulissen Kräfte am Werk waren und diese Kräfte ihn hassten.
»He, Junge«, sagte Patricia, »ich dachte immer, du willst hip sein.« Sie war mit einem Satz auf der Bühne, die unter ihr bebte. Gemeinsam hievten sie die Bassdrum nach oben, und als Patricia sie ihm abnahm, sprang er ihr hinterher.
Der Ruby Falls Halloween Karneval fand immer in der Highschool statt. Es war der einzige Ort der Stadt, wo man gleichzeitig einen Tanz ausrichten, ein paar Spaßbuden aufstellen und Spiele für die Grundschulkinder anbieten konnte. In vielen Ratssitzungen der Stadt war darüber diskutiert worden, ob es gut oder schlecht sei, am Freitag vor Halloween sämtliche Jugendlichen von Ruby Falls von fünf bis achtzehn in einem Gebäude zusammenzupferchen, aber Eugene sah nicht, wo es da Probleme geben sollte. Ging das Schulamt tatsächlich davon aus, dass sich Siebenjährige bei einem Schüler aus der Mittelstufe Gras beschafften, um es dann gemeinsam auf der Toilette zu rauchen? Die kleinen Kinder begnügten sich mit den Spielen in der Cafeteria und machten den zum Gruselzimmer umfunktionierten Hausaufgabenraum unsicher, und der Tanzbereich war derart abgeriegelt und wurde von allen Seiten bewacht, dass
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