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Bilder von dir: Roman (German Edition)

Bilder von dir: Roman (German Edition)

Titel: Bilder von dir: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Racculia
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dabei ertappte, wie er ihn ansah, lächelte er, als er sah, dass auch Arthur es wusste. Arthur schaute Mona an und Mona hielt seinem Blick stand. Sie hatten beide das Gefühl, bereits ein ganzes Leben mit einer Person verbracht zu haben, die sie verlassen hatte, doch dass es noch immer Minuten und Stunden und Tage und Jahre zu leben gab. Diese hier verbrachten Wochen hatten die Kluft zwischen den Zeiten überbrückt. Der Übergang rückte näher, das Blut stillte sich von selbst. Also musste dies der Ort sein und dies musste die Zeit sein, überlegte Arthur: Hier und jetzt beginnt eine neue Zeit.
    Aber was würde die neue Zeit bringen? Arthur sah seine Zukunft schimmernd vor sich, sah all die möglichen Orte, die er von hier aus ansteuern könnte: all die Häuser, in denen er leben könnte, all die Jobs, die er bekommen könnte, all die Leute, die ihm nie begegnet waren, die er aber für den Rest seines Lebens kennenlernen könnte. Er könnte in einem Büro in Portland, Oregon, arbeiten und dort individuellen Bürobedarf verkaufen: Heftklammern, Lineale und Kaffeetassen in leuchtenden Farben, deren ungemusterte Flächen nur darauf warteten, mit allem bedruckt zu werden, was der Kunde wünschte. Er könnte der Leiter eines Porträtstudios in einem Kaufhaus in Tallahassee, Florida, sein, mit sechsjährigen Drillingen und einer Frau namens Millie, die sich viel zu viele Sorgen machte. Er könnte Mona Jones’ Geschäftspartner sein und Mona Jones’ Liebhaber, und er könnte direkt hier im Darby-Jones wohnen bleiben und zur Abschlussfeier von Oneida mitkommen, und eines Tages, wenn er mit Mona in der Stille des Abends Scrabble spielte und diese die Buchstaben HEIRAT legte, konnte er im Gegenzug ABERJA legen.
    Arthur spürte, wie seine Brust sich versiegelte, während die Wunde von selbst abheilte.
    Mona lächelte ihn über den Tisch hinweg an. Und formulierte lautlos zwei Worte.
    Hallo Fremder , sagte sie.

24 Vertrauen
     
    Montag. Tag zwei vom Rest ihres Lebens.
    Oneida sagte nichts zu Mona. Sie ging nicht davon aus, dass Arthur Mona bereits von seinem Geständnis erzählt hatte, was sie wenig überraschend fand. Davon unabhängig wusste Oneida nicht, wo sie anfangen sollte – wusste nicht, was sie fragen sollte, war sich nicht sicher, ob sie sich von Mona belügen lassen wollte, wie sie das sicherlich tun würde (warum jetzt damit aufhören?) –, und so machte es keinen Sinn, überhaupt erst damit anzufangen. Sie hatte den ganzen Sonntag auf ihrem Zimmer verbracht, sich auf der Fensterbank ausgestreckt und Der scharlachrote Buchstabe gelesen. Sie war durch damit, eine Aufgabe, die ihre kathartische Wirkung nicht verfehlte. Nach Oneidas Auffassung verfügte Hester, genauso wie Mona, über genügend Willenskraft, genügend hartnäckige Selbstbezogenheit, um keiner Menschenseele das größte Geheimnis ihres Lebens zu verraten. Das Geheimnis, das ihr Leben war. Dimmesdale (der es einfach wusste) brauchte sie es nicht zu erzählen, und Chillingworth, dieser Fiesling, kam von selbst dahinter. Wie Oneida es selbst herausgefunden hatte. Behalt dein verdammtes Geheimnis für dich, Mona, sagte sie sich, behalt es für den Rest deines Lebens. Tu weiterhin so, als wäre es dein Geheimnis – dass dein Geheimnis nicht meins ist und Amys und jetzt auch Arthurs – und das meines Vaters.
    Wer immer er verdammt noch mal auch sein mag.
    Ein viel schlechteres Gewissen hatte sie, weil sie Eugene nicht besuchte. Jetzt, da ihr Geheimnis aufgedeckt war und geteilt werden konnte, musste sie sich selbst eingestehen, dass sie noch immer nicht den Mumm hatte, ihn anzurufen oder zu besuchen, sich neben Eugenes Bett zu knien und ihm die nunmehr entdeckte Wahrheit in seine rosa Ohrmuschel zu flüstern. Das hatte sie nicht getan. Also legte sie den Kopf auf ihren Schreibtisch und schluckte so lange, bis ihr nicht mehr nach Weinen zumute war, und erlaubte sich dann, sich in das hineinzusteigern, worüber sie überhaupt keine Kontrolle hatte.
    Ich werde weggehen, überlegte sie.
    Wohin würde sie gehen, wenn sie stürbe? Noch nie zuvor hatte sie über ihre eigene Sterblichkeit in derart klaren Begriffen nachgedacht; zur Kirche gingen sie nicht. Sie glaubte ein wenig an Geister (was nicht schwer war, wenn man im Darby-Jones lebte). Sie war nicht blöd, sie glaubte nicht, dass sie, so wie Amy, morgen bei irgendeinem verrückten Unfall ums Leben käme. So einfach war das: Erst als sie von einer Frau namens Amy Henderson Rook erfuhr, begriff

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