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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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Umhang vor und verschwand. So war er mit Herrn Rheinwald in einer Kirche, die Nonnen sangen, aber ungesehen, zusammen.
Kerner
war ganz begeistert über die himmlischen Stimmen, ›das müssen Engel sein und schön und jung!‹
Rheinwald
sagte: ›Nein, lauter alte neidische zahnlose Dirnen! hören Sie nicht, wie die Stimmen schettern?‹
Kerner
wurde wütend: ›Nein, sage ich, schön und jung und unschuldig wie die Engel!‹
    Immer war er auch bei dem äußersten Mangel, der ihn öfters traf, da er von den Seinigen keine Unterstützung hoffen durfte, heiter und voll Lebendigkeit, und alle Menschen, die ihn kennen lernten, liebten ihn.« –
    Mit ihm befand sich damals der vor einigen Jahren zu Stuttgart als Pädagogarch gestorbene Professor
Kammerer
in Paris, und von ihm ist folgende Mitteilung:
    »So sehr
Kerner
mit ganzer Seele der Freiheit anhing, das Glück derselben über die ganze Welt verbreiten zu können wünschte, so fand er doch jetzt, da er sich in der Nähe des Vulkans befand, von dem die Erschütterung ausging, bald den Boden ganz anders, als er sich in der Ferne vorgestellt hatte. Er lernte einige von den Revolutionsmännern und die geheimen Triebfedern und Leidenschaften, die sie beseelten, näher kennen, er hörte das wütende Geschrei, und die rasenden, alles menschliche Gefühl empörenden Vorschläge, die von der Jakobiner-Tribüne ausgingen, und sah die schändlichen Mittel, die man zu ihrer Ausführung anwendete. Sein gerader, auf Menschenrecht und Menschenglück gerichteter Sinn ertrug es nicht, diesem Unwesen zuzusehen. So sehr er daher als erklärter Clubs-Freund nach Paris gekommen war, so entschieden erklärte er sich nun dagegen, ohne deswegen seine Wünsche für Freiheit und eine wohleingerichtete Verfassung aufzugeben.
    Kerner
hatte sich nach und nach eine kleine medizinische Praxis erworben, wozu neben seiner Geschicklichkeit besonders auch seine Uneigennützigkeit nicht wenig beitrug. Außerdem hatte er seit dem Herbst 1792 den Auftrag erhalten, für die Hamburgische Zeitung (Adreßcomptoir-Nachrichten), die damals auf Kosten des dortigen Handelsmannes
Klopstock,
eines Bruders des Dichters, herauskam, wöchentliche Nachrichten aus Paris einzuschicken. Auf diese Art konnte er bei seiner Genügsamkeit sich recht gut fortbringen und selbst seiner Neigung, wohltätig zu sein, noch hie und da freien Lauf lassen; denn Gutmütigkeit, Edelmut, Biedersinn waren die Hauptzüge in seinem Charakter, und aus dieser reinen Quelle floß sein Enthusiasmus für Freiheit, die ihm anfänglich in goldenem Lichte entgegenglänzte. Dennoch war er nicht so blind und schwach, daß er sich so leicht durch Heuchler hätte täuschen lassen, ebenso wenig im gemeinen Leben, als in öffentlichen Angelegenheiten. Ich erinnere mich, ihn einst auf einem Spaziergange begleitet zu haben; es näherte sich uns ein in Lumpen gehüllter, elend und schwarzgelb aussehender Bettler.
Kerner
war im Begriff, ihm etwas zu reichen, plötzlich aber ergriff er die Hand des Bettlers, spie darein, rieb sie an seinem Rock ab – und siehe da, die schwarzgelbe Farbe, womit der Betrüger, Mitleid zu erregen, sich beschmiert hatte, ging ab, und er wurde mit einem derben Verweis entlassen.
    Seine edlen Eigenschaften, die sich auf den ersten Blick in seinem Gesichte aussprachen, erwarben ihm immer mehr Bekannte und Freunde. Ohne besondere Adressen nach Paris zu haben, wurde er bald, besonders seinen württembergischen Landsleuten bekannt, wovon ihn immer wieder einer dem andern zuführte, und unter diesen wurde die Bekanntschaft mit Graf
Reinhard
für ihn die folgenreichste. Alle waren ihm mit der innigsten Anhänglichkeit und Liebe zugetan, die er auch in hohem Grade verdiente; aber auch unter andern in Paris lebenden Deutschen und unter den Franzosen selbst wußte er sich Liebe und Wohlwollen zu erwerben; sogar Männer von der Regierung behandelten ihn mit Achtung und ließen seinen Grundsätzen Gerechtigkeit widerfahren.
Kosciusko, Schlabrendorf, Oelsner, Ebel, Reinhard, Lux
waren seine innigsten Freunde.«
    In nachstehendem Briefe vom 30. Dez. 1792 an seinen Freund Reinhold, erzählt er selbst einen Teil seiner Erlebnisse zu Paris während der sturmvollsten Zeit der Revolution.
    A Monsieur Jean Gotthardt Reinhold, Lieutenant dans le II. Bataillon du Regiment Nassau à Bois le Duc.
    Paris, le 30. Dec. 1792. An I. de la R.
    Gott verdamme mich, wenn ich so verschiedener Meinung von Dir wäre, als Du in Deinem Briefe, den ich so eben,

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