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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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großen Genuß darein, Familienfreuden zu bereiten, und bei ihrem ausgezeichneten Verstande und vielseitiger Erfahrung wurde sie nicht nur als das Orakel in der Familie verehrt, sondern in mancherlei Angelegenheiten von einem großen Teil des Publikums in und bei Ludwigsburg konsultiert. Ich hatte sie nicht mehr kennen gelernt. Ihr zweiter Sohn, jünger als mein Vater, lebte ebenfalls in Ludwigsburg, zuerst als Advokat, nachher als Bürgermeister der Stadt, und zuletzt als Landschafts-Konsulent in Stuttgart. Sein Eifer für die Rechte des Volks und die Bewachung der Verfassung sind bekannt. Kaum vor Auflösung derselben starb er mitten in der Versammlung der Landstände und wurde tot aus ihrem Saale getragen. Neben diesem Bruder wohnten noch zwei Schwestern meines Vaters in Ludwigsburg, wovon die eine dem Diakonus
Mutschler
daselbst zum Gatten hatte. Sie war eine sehr verständige aber mit ganz sonderbaren Eigenheiten und Glauben begabte Frau. So gab sie z.B. nie zu, daß in Krankheiten ein Arzt in ihrem Hause zu Rat gezogen wurde, und selbst bei ihren Enkelkindern suchte sie dies auf alle Weise zu verhüten. Ich weiß aus späteren Zeiten von ihr, daß, als einmal einer ihrer Enkel in einem Erziehungshause am Scharlachfieber erkrankte, sie eilend dahin abreiste und Tag und Nacht an seinem Bette sitzen blieb, bloß um zu verhüten, daß keine Medikamente ihm gereicht würden, nur Wasser; das war schon 40 Jahre und länger, bevor der Gräfenberger Wasserarzt sich erhob. Es war aber auch wirklich, daß nur durch ihre Pflege und Wasser Kinder und Enkel von ihr in sehr harten Krankheiten genasen. Eine zweite Schwester meines Vaters war mit einem herzoglichen Stallmeister, Namens
Müller,
verheiratet. Diese Ehe war nicht ganz glücklich; die Frau starb in Melancholie und hinterließ 4 Töchter, von denen zwei ebenfalls in Ludwigsburg verheiratet waren, die eine an den Amtsschreiber
Heuglin,
ausgezeichnet durch Gemüt und Verstand, die andere an den Stadtschreiber
Schönleber.
Sie muß in ihrer Jugend von hoher Schönheit gewesen sein. Ihr Charakter war edel und streng. Sie trug die Bürde des Lebens mit Mut und starb in einem hohen Alter. Die dritte war an den zu Lustnau verstorbenen Dekan
Mayer,
früher Professor zu Maulbronn, verehelicht, und ihrer wird in diesen Blättern später mehr erwähnt. Die jüngste hatte den Dekan
Uhland
von
Brackenheim
(den Oheim des Dichters) zum Gatten.
    Und nun komme ich wieder auf den Garten, von dem ich früher sprach. Hinter dem Rathaus in Ludwigsburg, das der Stadtschreiber
Schönleber,
Neffe meines Vaters, bewohnte, war ein sehr großer Hof, in dessen Mitte zwei prachtvolle alte Nußbäume standen. Hier war gar oft der Platz unserer Spiele.
Schönleber
hatte mehrere Kinder im Alter mir nahe und namentlich zwei Söhne, Georg und August, letzterer nachheriger Besitzer der Ludwigsburger Tuchfabrik. Sein ältester Sohn, Namens Friedrich, ein Mann vom gediegensten rechtschaffensten Charakter, älter als ich, starb kürzlich zu Stuttgart als Archivar der Landstände.
    In der ersten Sitzung derselben (im Januar 1848) wurde seinen Verdiensten von dem Präsidenten das würdige Lob erteilt, welchem alle Repräsentanten durch Erhebung von ihren Sitzen Beifall zustimmten.
    Nach diesem Hofe des Stadtschreibers kam man in seinen für Kinderaugen ungeheuer großen Garten, der mit den prächtigsten Obstbäumen aller Art besetzt war. Hier gab es im Herbste wahre Lustgelage für die Jugend – die Bäume standen meistens in großen Grasplätzen und bogen ihre früchteschweren Äste in manchem Herbste tief zu den Blumen des Grases nieder. Welche Lust, auf einen solchen Baum steigen, das lachende Obst brechen zu dürfen! Welche Freude, an einem andern zu schütteln, bis er rings herum das Gras mit seinen duftenden Früchten bedeckt hatte. An diesen Garten stieß der Garten, der zu dem Palais des Prinzen Friedrich (nachherigen Königs) gehörte. Die Bäume, deren Äste über die diese Gärten trennende Mauer ragten, ließen oft ihre Früchte in den prinzlichen Garten fallen. Als wir einmal so einen Baum mit Mostbirnen geschüttelt hatten, tat es dem Stadtschreiber sehr leid um die in den prinzlichen Garten gefallenen Birnen, und er konnte nicht umhin, seinen Schreiber zum Hausmeister des Prinzen zu senden, sich die Erlaubnis, diese Birnen holen lassen zu dürfen, auszuwirken; da begegnete aber der Prinz selbst dem Schreiber unter dem Tore des Palais und fragte ihn, was er begehre. Darob kam der Schreiber

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