Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
Vom Netzwerk:
Herzgrube herum, das ich damals durch ihn gefühlt haben muß.
    Die Freude auf den Tag, an dem der Bote mit der mütterlichen Schachtel ankam, das Rechnen und das Sichfreuen auf den Samstag, wo der alte
Matthias
mit den Rappen erschien und der Ritt ins Kloster angetreten wurde, ließ kein eigentliches Heimweh aufkommen, wurde auch dadurch die Sehnsucht nach der Heimat nicht unterdrückt.
    Der Unterricht in der lateinischen und in der griechischen Sprache war nun allerdings geregelter, und die älteren Söhne des Präzeptors hatten schon schöne Fortschritte gemacht, denen ich nacheiferte.
    Der Religionsunterricht bestand leider meistens nur im Lesen und in abenteuerlicher Erklärung der Offenbarung Johannis und begann meistens mit der Warnung: »Buben! wenn ihr euch nicht vor dem Namen
Jesu
beugt, so oft dieser Name vorkommt, so schlag ich euch den Stecken um die Füße herum.«
    Auf eine schöne Handschrift sah der neue Lehrer besonders. Die seiner Söhne war sehr schön. Sie schrieben in den verschiedensten Formen von Buchstaben, und selbst in großer Mönchsschrift mit Farben.
    Die Zubereitung solcher farbigen Dinten, meistens vegetabilische Säfte, führte uns zur Sammlung von Blättern, Blüten und Beeren in Felder und Wälder.
    Der Durchzug österreichischer Truppen und das Gespräch Älterer vom Kriege brachte uns auf kriegerische Spiele mit den anderen Knaben des Städtchens, bei welchen ich als ehemaliger Kommandant der kleinen Landmiliz von Ludwigsburg meistens die Hauptrolle spielte.
    Der Sturm des Krieges brach aber nun immer ernster und näher herein. Die Franzosen waren mit großer Heeresmacht über den Rhein gebrochen und näherten sich der
Pfalz
und der württembergschen Grenze. Tag und Nacht ertönte Kanonendonner.
     
Rückkehr nach Maulbronn beim Erscheinen der Franzosen
     
    Die sorgliche Mutter hielt mich zu Knittlingen, das der Pfalz so nahe war, nicht mehr für sicher, und ich wurde auf ihre Veranlassung von dem Postmeister zu Knittlingen in eine Chaise gepackt und fuhr unter den hellen Tönen eines Posthorns nach einigen Stunden in den Klostermauern ein. Das waren dort gar seltene Klänge, und alles lief dem Gefährte nach; denn man glaubte nichts Geringeres, als es sei der kommandierende General aus dem französischen Hauptquartiere angekommen. Ich glaube, dasselbe stand dazumal unter
Dessaix
in der Gegend von Pforzheim. Mein Vater hatte sich dahin begeben, um von
Dessaix
Schutz und Sicherheit für Kloster und Oberamt zu erhalten, aber noch ehe er angekommen war, hatten sich die weiten Räume des Klosters mit leichten französischen Chasseurs zu Pferde (einem Streifkorps) angefüllt, die vor denjenigen Wohnungen, die ihnen den reichsten Inhalt zu haben schienen, abstiegen und sich in ihnen zu Gast baten.
     
Der Professor im Kamine
     
    Der gute Professor
Maier
hatte nicht mehr Zeit, seine weiße Zipfelkappe und Schlafrock mit dem schwarzen Magisterkäppchen und Frack zu vertauschen; sie überraschten ihn gerade in der Küche, als er sich mit seiner Ehehälfte
Therese
um die Schlüssel zur Speisekammer stritt, weil er aus dem Kamine die Schinken, die er dort nicht mehr für sicher hielt, in die Speisekammer bringen wollte, wozu er schon eine Leiter auf den unter dem Kamin stehenden Herd aufgepflanzt hatte. Als er aber nun durchs Küchenfenster die herannahenden Franzosen erblickte, warf er schnell den Schlüssel der Speisekammer in eine Wasserkufe, stieg in Angst und Verlegenheit, so schnell er nur konnte, auf der Leiter ins Kamin empor und rief noch mit halbgebrochener Stimme hernieder: »Sie nehmen mich als Geißel mit, darum kommen sie. Therese, ich sag Ihnen, verraten Sie mich nicht!« »Wie?« rief sie hinauf, »steigen Sie sogleich herunter, ich gehe nicht aus der Küche ohne Sie!« Da waren die Chasseurs schon in der Küche, sahen die Leiter auf dem Herde und fragten in gebrochenem Deutsch, was das bedeute, während einer an der Leiter zu rütteln anfing. Die Professorin gab zu verstehen, das sei, um ihnen Würste und Fleisch aus dem Rauche zu holen, rief auch ihrem sich zitternd an der Leiter haltenden Manne zu: »Kommen Sie nur mit den Schinken und Würsten herunter!« Da kam der kurze Professor in Zipfelkappe und Schlafrock auch langsam hernieder, indem er die Schinken und Würste (gleichsam als Fürsprecher für sich) vor sich voraus geworfen hatte. Die komische Gestalt des Herabsteigenden machte das lustige französische Blut laut auflachen, sie hoben ihn auf ihre Arme, trugen ihn

Weitere Kostenlose Bücher