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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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mitgemacht, Wunden erhalten und der Guillotine getrotzt.
    Beruhigter wurden meine Eltern, als er, sich aus diesen Pariser Stürmen herausarbeitend, den gefahrloseren Weg der Diplomatie einschlug, eine Bahn, die er seinem Landsmanne, dem Württemberger
Reinhard,
nachherigen Grafen und Pair Frankreichs, zu verdanken hatte. Mit diesem schloß er schon damals einen Freundschaftsbund, der, obgleich seine politischen Gesinnungen oft sehr von denen
Reinhards
abwichen, fest bis an beider Ende dauerte.
    Als
Reinhard
Gesandter in
Hamburg
wurde, begleitete er ihn als Privatsekretär dahin. Auf sein Zureden fand sich auch sein Freund
Reinhold,
der bisher in der holländischen Armee diente, in Hamburg ein und begann dort als Privatsekretär des holländischen Gesandten
Abemar
seine diplomatische Laufbahn. Beide Freunde lebten da vom Januar 1796 bis Ende Februar 1798 miteinander, nur einen Teil des Winters 1797 brachte mein Bruder
Georg,
von
Reinhard
dahin geschickt, in Paris zu.
Reinholds
spätere Laufbahn wurde schon berührt.
    Im Frühling 1798 reiste
Reinhard
in einer diplomatischen Sendung nach Italien und traf mit meinem Bruder unversehens in
Maulbronn
ein.
    Die Freude des Wiedersehens nach all den Gefahren und Irrwegen war groß, und zähmte selbst die Strenge meines Vaters, der, ein fester Monarchist, den republikanischen Sohn demungeachtet mit Liebe wieder an sein väterliches Herz drückte.
    Die ernste Würde
Reinhards,
dessen Aussehen gar nicht das eines leichten Republikaners war (schon damals hatte er das Aussehen eines Grafen und Pairs), das Lob, das er meinem Bruder erteilte, wie er sich in Paris Liebe und Ansehen verschafft, die Erzählungen von den Stürmen, in denen er gänzlich mit Aufopferung seiner selbst das Leben von Freunden und von Fremden verteidigt und gerettet, das alles erwärmte das väterliche Herz.
    Reinhard
hatte auch seine Gattin bei sich; es war die Tochter des bekannten Professors
Reimarus
in Hamburg.
Reinhard,
in seiner Jugend zum Theologen bestimmt, hatte auch einst die württembergischen Erziehungsanstalten für Theologen, die Klöster, durchlaufen, und es war ihm nun sehr angelegen, seiner Gattin all die klösterlichen Einrichtungen zu zeigen und mit ihr sich in diese Zeit seiner Jugend wieder zurück zu versetzen.
    Leider waren die Klosterzöglinge gerade in der Vakanz. Um der Gesandtin einen Begriff von der Kleidung zu geben, die auch ihr Gatte in dieser Schule einst trug, ließ mich mein Vater in die Kuttentracht eines Klosterzöglings kleiden, in welcher ich unerwartet zur Türe hereintrat und der Frau Gesandtin einen Blumenstrauß überreichte. Der Besuch des Gesandten und seiner Gattin dauerte einige Tage, der meines Bruders, glaube ich, noch länger.
    Es waren für mich vergnügte Tage, denen bald sehr traurige folgten.
     
Meines Vaters Erkranken
     
    Mein Bruder
Georg
fand das Aussehen des Vaters sehr verändert. Die so kräftig gewesene Gestalt schien ihm mehr zusammengefallen, das feurige schwarze Auge mehr erloschen, er äußerte gegen den Bruder
Karl
seine Besorgnisse und war mit großem Herzeleid geschieden.
    In der Tat hatte auch mein Vater schon seit einem Jahr zu kränkeln angefangen, und das Leiden stellte sich immer mehr heraus.
    Es war ein chronisches Leiden des Magens, es bildete sich eine Verhärtung am Magenmunde, die bald keine Speise mehr in denselben ließ, wodurch auch häufiges Erbrechen stattfand. Meine Mutter war unermüdet in der Pflege ihres Gatten, und meine Schwester Wilhelmine wich auch wenig von seinem Lager, denn sie machte des Vaters Sekretär und Vorleser. Viele Ärzte wurden zu Rate gezogen, zuletzt auch wieder jener russische Arzt zu Heilbronn, der es abermals an Anraten seines Hopelpopels nicht fehlen ließ; allein es trat Zehrfieber und völlige Abmagerung ein. Es war für mich betrübend, nun allein zu meinen Blumen und zu des Vaters verlassenen Bäumen wandern zu müssen; im Hause und in den Gärten gestaltete sich alles trübe, die alten Rappen wurden verkauft und auch
Matthias
verlor seinen Mutwillen und Scherz; denn er glaubte nicht anders, als er werde nach jener Prophezeiung des Esels, gewiß in diesem Jahr auch ans Ende seines Lebens kommen.
    Des Vaters Aussehen machte mich entsetzlich bange; ich fürchtete mich ihm zu nähern und sah nur oftmals von der nahen Klostermauer, die einen bedeckten Gang hatte, verstohlen in das Zimmer, wo sein Krankenlager war, hinein. Von Arzneiflaschen umgeben, lag er da bleich und zum Gerippe abgemagert im

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