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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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Bette und meine Mutter oft an demselben knieend und betend.
    Ein jeder neu ankommende Arzt machte mir nur Angst, und ich floh in den Klosterzwinger zu meinen Blumen oder den Bäumen meines Vaters, die mir aber auch bald wieder bange machten, so daß ich oft von ihnen wieder auf die Mauer zurückkehrte und heimlich in das Krankenzimmer blickte, zu sehen, was da vorging.
    Als ich eines Abends so einmal (es war schon Dämmerung) von der Klostermauer in das Fenster des väterlichen Krankenzimmers sah, sah ich mich auf einmal ganz deutlich selbst im Zimmer. Ich sah mich knieend vor dem Bett des Vaters und hatte seine gelbe abgemagerte Hand in der meinigen. Ich blickte auf den Vater; sein schwarzes Auge sah mich verklärt an. Da faßte ich Mut, ich eilte wirklich zum Zimmer, ich fand meine Mutter vor des Vaters Bette im Gebete, meine Gestalt sah ich nicht mehr, aber nun kniete ich auch nieder und faßte seine Hand, und er blickte mich, wie ich es vorhin gesehen, verklärt an. Von da an trat ich öfters ins Krankenzimmer selbst, hatte meine Angst vor dem sterbenden Bilde überwunden, und mein Vater wurde auch freundlicher gegen mich, denn er hatte mein seltenes Erscheinen bald für Mangel an kindlicher Liebe gehalten, was es doch nicht war.
    Mein Unterricht wurde, da die Aufsicht des Vaters fehlte, wieder lässiger betrieben, und ich fiel wieder mehr der Natur anheim. Damals aber legte sie ihre Sehnsucht, ihre Wehmut in mich, und mit ihnen die Poesie.
    Während der Krankheit meines Vaters kam mein Bruder
Karl
öfters zu uns nach
Maulbronn.
Er war damals Leutenant unter der Artillerie des schwäbischen Kreises, die zu Ludwigsburg stationiert war. An Geist wie an Körper war er zum liebenswürdigsten Jüngling herangewachsen, und durch den festen Charakter und die Besonnenheit, die er schon frühe zeigte, war er meinem Vater sehr teuer, und er ahnete mit Freuden in ihm schon damals die einstige Stütze seiner Hinterbliebenen, was er auch im vollsten Maße wurde.
    Für diesen Bruder hegte ich auch schon damals große Achtung und Liebe, obgleich auch unser Wesen wieder sehr verschieden von einander war. Er war Verstand und Mathematik, ich bloß Gemüt ohne alle Berechnung. Meine poetischen Versuche traf schon damals oft sein Spott, und in solchem hieß er mich oft den Dichter
Kotzebue,
welcher Name zugleich eine Anspielung auf meine frühere Krankheit sein sollte. Aber er meinte es immer durchaus liebevoll und rechtschaffen, und ich folgte ihm auch in allem gern, selbst seinen Anmahnungen, mich auch hinter die Zahlen und geometrische Gleichungen zu machen, was mir gewiß sehr schwer fiel und gegen meine Natur war.
     
Des Vaters Tod
     
    Die Kräfte meines Vaters schwanden immer mehr, und er machte sich bald selbst keine Hoffnung zu einem Aufkommen. Seinen Tochtermann, den Pfarrer
Zeller,
damals zu
Wiernsheim,
nicht weit von
Maulbronn,
hatte er öfters zu fernen Ärzten um Rat geschickt.
    Wenige Wochen vor seinem Tode dachte er dafür einen freundlichen Dank für ihn aus. Er hatte (wie schon erwähnt) in seiner Gemäldesammlung ein sehr gut in Öl auf Holz gemaltes Kniestück, Lebensgröße; es stellte den Cimon im Kerker vor, wie er sich an der Brust seiner Tochter nährte. Dieses sandte er dem Tochtermann mit folgenden Zeilen:
    »Sie haben sich durch Ihre Gutmütigkeit bemühet mich aus der Gefangenschaft meines Krankenzimmers zu retten; empfangen Sie dafür zum Andenken dieses Sinnbild kindlicher Liebe. Bewahren Sie es und denken Sie dabei, was kindliche Liebe bei Ihnen nicht vermochte, vermochte endlich der erbarmende Engel des Todes.«
    Wenige Tage vor seinem Tode diktierte er seinem Schreiber einen Abschied an Frau und Kinder. Es möge hier aus demselben nachstehendes Platz finden.
     
»Liebste Ehefrau!
     
    Du hast mir in Deinem Leben viele Liebe erwiesen, auch an dem Rande des Grabes danke ich Dir. Ich bitte Dich, so sehr ich Dich bitten kann, betrübe Dich über meinen Tod nicht zu sehr, betrage Dich als eine vernünftige Christin und denke, daß Du der Vorsehung nicht widerstreben kannst. Es mußte so sein, und Gott nur weiß warum – und es wird gut sein.
    Ich wünsche, daß Du nach meinem Tode wieder nach Ludwigsburg ziehest. Verwandte, Freunde und Bekannte werden Dir dort Deine Einsamkeit erträglicher machen.
    Lebest Du sparsam, wie Du ja tun wirst, so hoffe ich, daß Du von dem noch vorhandenen Vermögen und dem Witwenkassengehalte werdest leben können. Man möge Sr. herzoglichen Durchlaucht um eine Pension

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