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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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künftigen Verwandten
     
    Bald als wir ankamen, wurde das Kloster von Fremden erfüllt; denn es stand eine Einlieferung von neuen Alumnen statt; sie kamen aus dem Kloster
Denkendorf
und wurden meistens von ihren Eltern und Pflegern begleitet, die in die Häuser der Professoren und Beamten nach eigner Wahl von diesen einquartiert wurden. Meinem Vater fiel unter ihnen ein Mann auf, der ein besonderes einnehmendes und redliches Aussehen hatte und für den er sogleich die größte Zuneigung fühlte; diesen erwählte er sich aus allen zum Gaste. Der Sohn, den er mitgebracht hatte, fiel mir darum auf, weil ich meinte, ich hätte ihn schon oftmals gesehen. Er selbst versicherte mich, daß wir uns gewiß noch nie gesehen, aber ich ließ mirs nicht nehmen, dachte ihm immer nach, und auf einmal kam es mir, daß ich ihn in jener Traumnacht unter den Bildern auf den Fenstern der Kirche zu
Heilbronn
mehr als einmal sah, und zwar meistens in der Nähe jener Gestalt, die mir so oft auf ihnen erschien, und nach der mir immer ein Heimweh auch selbst unter meinen Blumen blieb. Jenen Mann aber, seinen Vater, den mein Vater so lieb gewonnen, erinnerte ich mich nie vorher je gesehen zu haben; auch in meinen spätern Jahren sah ich ihn nie wieder; aber er blieb mir mit seinem menschenfreundlichen Gesichte, silberweißen Haaren und lieben Wesen farbig und tief ins Gedächtnis eingeprägt, ob ich ihn gleich damals als Kind nur kurz und oberflächlich sah. Dieser Mann war der Professor
Ehmann
von
Denkendorf,
dessen Tochter
Friederike,
als ich sie zehn Jahre später zum erstenmal erblickte, die treue Gefährtin meines Lebens, so wie dieser ihr Bruder, auch in viel späteren Jahren, mein inniger Freund und Teilnehmer an vielen Jahren meines Lebens wurde.
    Sie war mit mir in gleichem Alter, und die ersten der Studenten, die von
Denkendorf
nach
Maulbronn
promoviert wurden und mir in
Maulbronn
Unterricht erteilten, hatten vorher auch ihr Unterricht in
Denkendorf
erteilt. Nur in diesem Rapporte standen wir, hörten aber nie von einander, und sahen einander nie, als in jener spätern Zeit, wo wir uns auf ewig verbanden. Hätte mein Vater damals geahnt, welchen künftigen nahen Verwandten er sich zum Gaste auserwählt! Vielleicht war aber diese seine Wahl schon eine geheime Ahnung, die er nicht zu deuten wußte. Der Mann schied nach kurzem Aufenthalte auch ganz begeistert von meinem Vater. Sie sahen einander nie wieder.
     
Der Bauer Rapp
     
    Es hatte sich damals in Württemberg und besonders zahlreich im Oberamte
Maulbronn
eine Sekte gebildet, deren Anhänger sich Separatisten nannten. Sie waren ihren Grundsätzen nach Spiritualisten, Opposition gegen alle Kirche, mehrere sogar Pantheisten. Ihre politische Schwärmerei war nur Nebensache. Ihr Anführer, Namens
Rapp,
war aus dem Dorfe
Iptingen,
Oberamts
Maulbronn,
ein Mann noch von den besten Jahren, mit einem kräftigen Körper, hellem Verstand und festem, entschlossenem Charakter.
    Obgleich mein Vater sich seinen Bestrebungen und der Verbreitung seiner Sekte als Beamter entgegenstellen mußte, suchte er doch alle Gewalt und Strenge, war sie ihm auch anempfohlen, gegen ihn und seine Brüder zu vermeiden.
    Gegen ihre Grundsätze war es besonders, einen förmlichen Eid zu schwören, denn sie behaupteten: ein Manneswort müsse ohnedies heilig sein und dürfe nur in Ja und Nein bestehen, und deswegen wollten sie auch dem Herzoge keinen Huldigungseid leisten. Es sollte mit harten Strafen gegen sie eingeschritten werden; mein Vater aber machte zwischen ihnen und der Regierung den Vermittler, und um diese Zeit besuchte
Rapp
öfters unser Haus, und ich erinnere mich gar wohl noch seiner und seines langen schwarzen Bartes, mit dem der nachher so berühmt gewordene Bauer oftmals bei uns neben meinem Vater zu Tisch saß.
    Es ist bekannt, daß er später nach dem Tode meines Vaters mit seinen Glaubensbrüdern nach Nordamerika zog und dort unter dem Namen »Harmonie« eine eigene Kolonie auf eine Mischung von theokratischpatriarchalischen und kommunistischen Prinzipien gründete. Diese frühere Kolonie vertauschte er später mit einer andern, die er »Economie« benannte, und wo er in sehr hohem Alter am 7. August 1847 starb. Es freut mich, daß mein Vater das Ungewöhnliche, das in diesen Menschen lag, auch in seinem ersten Keime nicht mißkannte.
     
Mein Bruder Georg mit Reinhard in Maulbronn
     
    Mein Bruder
Georg
hatte inzwischen, wie schon weitläufig erwähnt wurde, den Sturm der Revolution in Paris

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