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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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zum Teufel scheren mit dem Weibsstück. Doch Andrina besann sich wieder. »Ich
     hab sie nicht gefragt. Sie versteckt es ja vor allen. Ich wusste aber von Luca, dass sie es hat. Sie trug es, als Gian und
     Luca sie fanden. Ich wollte es doch gleich wieder zurücklegen in die Kommode.«
    »Das wirst du jetzt nicht tun.« Signore Robustelli ging im Zimmer auf und ab und dachte nach.
    »Ich behalte das Medaillon hier.«
     
    Achille Robustelli glaubte nicht an die Vorsehung. Dafür war sein christlicher Glaube nicht stark genug. Auch der Zufall war
     kein Phänomen, dem er je Beachtung geschenkt oder gar Bedeutung beigemessen hätte. Für ihn zählten Präzision, Umsicht, kluge
     Vorausschau, nüchterne Logik und die Notwendigkeit,sich jederzeit anständig zu verhalten. Und doch begann er jetzt, an seinen Grundüberzeugungen zu zweifeln. Denn mit einem
     Mal brachen sich in ihm ganz unglaubliche Gefühle Bahn. Der Zufall verfolgte ihn geradezu, und wenn er abergläubisch gewesen
     wäre, hätte er sich vor lauter bedeutungsvollen Zeichen gar nicht mehr zu retten gewusst.
    Hier stand er und hielt Nikas Medaillon in seiner Hand, ihren einzigen Schatz, das Geheimnis ihrer Geschichte, das sie selbst
     allein nicht enträtseln konnte. Sie brauchte jemanden, der ihr half. Und ausgerechnet Andrina hatte ihm nun das Medaillon
     in die Hände gespielt, zwang ihn, sich wieder und wieder mit Nika zu beschäftigen, mit Nika, die sie nicht ausstehen konnte
     und als Rivalin betrachtete.
    Und ja, der Zufall wollte es. Er erkannte die Damaszenerrose mit dem Rubin. Ein Kamerad seiner Einheit, Offizier wie er, war
     ein Mitglied der alten venezianischen Familie gewesen, die dieses Wappen trug. Sie waren nicht besonders befreundet gewesen,
     und Achille war sich nicht sicher, ob er den Namen richtig behalten hatte. Damaskinos, wenn er sich nicht täuschte, war es
     der griechische Name Damaskinos gewesen.
    Achille betrachtete das Schmuckstück, aber er öffnete es nicht. Es gehörte Nika, und er hatte weder das Recht noch das Verlangen,
     es zu öffnen. Er war diskret, selbst wenn es niemand sah.
    Das Schlimme war nur: Er wurde überschwemmt von all den Gefühlen, die er gelernt hatte zu unterdrücken, und sie tobten mit
     Macht in ihm. Er war traurig und unglücklich, wenn er an die Heirat mit Andrina dachte, voll innerer Widersprüche und Unheil
     stiftender Neigungen für Nika, die einen anderen liebte und seine Gefühle nicht erwiderte. Er war voller Unvernunft.
    Achille Robustelli, den man beim Militär für seine Sachlichkeitund seinen strategischen Scharfblick gerühmt hatte, hatte sich im Netz seiner Gefühle heillos verfangen.
    ***
    »Ah, Baba«, sagte Andrina und hielt Segantinis Dienstmädchen auf der Dorfstraße an, »ich hab dich ja ewig nicht mehr gesehen!
     Aber ich komme auch kaum aus dem Hotel, du kannst dir nicht vorstellen, wie anspruchsvoll die Gäste sind.« Sie hielt Baba,
     die rasch weiterwollte, am Arm fest. »Baba, warte einen Moment, da ist etwas, das ich dich schon lange fragen wollte. Weiß
     die Signora Bice eigentlich, dass der Signore Segantini ständig um die Straniera herum ist?«
    Alle Dorfbewohner wussten, wer die Straniera war.
    »Mich geht es ja nichts an«, fuhr Andrina fort, »aber das ganze Hotel weiß davon. Neulich hat mir ein Gast, eine sehr einflussreiche
     Dame, erzählt, dass sie die beiden in St. Moritz angetroffen hat. Also, ich finde, das gehört sich nicht. Aber wahrscheinlich
     gab es ja einen Grund dafür, und deine Signora hat nichts dagegen gehabt.«
    Babas Miene versteinerte. Sie mochte Andrina nicht. Die Andrina, das sagten alle, wäre gern etwas anderes gewesen, als sie
     war. Die arme Benedetta, sie hatte Pech mit ihren Kindern. Gian, der nicht ganz richtig war, Luca tot und diese hier, die
     nie zufrieden war.
    »Aber sicher weiß die Signora Bescheid«, antwortete Baba darum abweisend. »Ich muss weiter. Nicht nur im Hotel arbeiten die
     Leute.« Sie machte sich von Andrina, die sie immer noch am Ärmel hielt, los und ging davon.
    Dass Andrinas Worte sie getroffen hatten, zeigte sie nicht. Segantini. War nicht sie seine Vertraute? Trug nicht sie seine
     Malsachen überall hin, war es nicht sie, die ihm vorlas, der er seine Gedanken mitteilte, ja die sogar Modell für so viele
     seinerBilder gewesen war und die aufopfernd für seine Familie sorgte, auch wenn ihr geringer Lohn oft Monate auf sich warten ließ?
     Gab sie nicht alles für ihn? Was suchte er bei der Straniera?
    Sie

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