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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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sie ihre Lippen auf seine und öffnete mit ihrer Zunge vorsichtig seinen Mund.
    Der Kellner verdarb diesen guten Anfang. Er stand mit dem Champagner vor der Tür, und Kate musste ihm öffnen. James setzte
     sich wieder ordentlich hin, nachdem er schon, Kate in den Armen, gefährlich in die Horizontale gerutscht war.
    Er machte keine besondere Anstrengung, an den intimen Moment von vorhin anzuschließen, hob aber das Glas und prostete ihr
     zu: »Auf Sie, Kate.«
    Was war denn mit ihm los, was machte ihn so lau?
    »Nun, was halten Sie von unserer kleinen Mathilde, James? Das Mädchen ist sehr verliebt in Sie.«
    »Ja, das ist sie wohl«, erwiderte James, ohne ein Gefühl erkennen zu lassen.
    »Und, schmeichelt es Ihnen noch, oder ist es Ihnen schon lästig?«
    Er drehte das Gesicht von Kate weg und antwortete fast verdrossen: »Das weiß ich noch nicht.«
    »Wie unergiebig Sie heute sind, James. Richtig maulfaul. Ich muss zugeben, ich hatte einen Verdacht heute Mittag, als das
     Mädchen sich nach dem Kurbad nicht bei mir meldete. Immerhin sind auch Sie nicht zum Essen erschienen   …«
    »Ich sagte Ihnen doch schon, ich hatte ein Match.«
    »Ausreden sind im Geschäft der Verführung nichts Besonderes. Das ist kein Beweis, dass Sie nicht mit ihr zusammenwaren in
     der Zeit, als ich vergeblich auf Sie beide wartete.«
    Kate sah seinem Gesichtsausdruck an, dass dieses Gespräch in Gefahr war, ganz und gar nicht ihren Erwartungen gemäß zu verlaufen.
    »Aber was reden wir über die Kleine«, sagte sie deshalb, »wenn wir uns erwachsenen Vergnügungen hingeben können.«
    Sie schob ihm einen Bissen foie gras in den Mund, füllte sein Glas nach und begann ihn auszuziehen. Er half ihr nur unwesentlich
     dabei, und sie redete sich zu, dass seine Lust an der passiven Rolle des Umschwärmten, Begehrten der Grund dafür war und nicht
     ein wachsendes Desinteresse an ihr.
    Sie war geschickt und erfahren, James überließ sich allmählich doch ihren Händen, glitt vom Sofa auf den Teppich und zog sie
     mit sich. Ihr Hausmantel öffnete sich ganz, nackt lag sie auf den blassrosa und lachsfarbenen Blumen auf goldenem Seidengrund.
     Sie genoss seine Blicke, sah ihn als Voyeur, der seine Lust zügelte, während ihre Erregung wuchs.
    Während er sie, aufgestützt auf einen Ellenbogen, betrachtete, spreizte er mit der anderen Hand, immer noch kühl, fast unbeteiligt,
     ihre Schenkel auseinander, aber Kate gab ihm nicht gleich nach. Da endlich warf er sich auf sie. Jetzt hatte er Mathilde vergessen.
     Kate hatte noch einmal gewonnen.

Ungewissheiten
    Nika sprach wieder. Aber nur mit Segantini und Gian. Es war schwer, die Sprache wiederzufinden nach Jahren des Schweigens,
     sie war zu verräterisch und zu kostbar, um sie zu verschwenden.
    Nika wartete ungeduldig auf Segantini. Er hatte viel Besuch und wenn er malte, begleitete ihn die Baba. Manchmal schickte
     er sie jedoch eher heim und sagte, er käme gleich nach.
    Er hatte noch immer Nikas Skizzenbuch. Sie war begabt, das hatte er gleich erkannt, man sollte sie fördern. Richtig schreiben
     wollte sie lernen und zeichnen, so wie er. Er kannte ihn gut, diesen Hunger nach Bildung, die einem vorenthalten worden war,
     den Drang, sich auszudrücken, die Sehnsucht, gesehen zu werden – im anerkennenden Blick der anderen zu erfahren: Ich bin,
     und es ist gut, dass es mich gibt.
    »Ich denke nach, wie sich das einrichten ließe«, sagte er eines Tages zu ihr. Zu seinen Kindern, die von einem Hauslehrer
     unterwiesen wurden, wollte er sie nicht schicken. Sie gehörte nicht zu diesem Teil seines Lebens, und er wollte die Welten
     nicht vermischen.
    »Vielleicht spreche ich mit dem Pfarrer, wir werden sehen.« Dass er selbst im Schreiben nicht ganz sicher war, wollte er vor
     ihr nicht zugeben.
    »Sie haben noch immer mein Heft«, antwortete sie, »ich kann nicht weiterzeichnen. Ich habe kein anderes.«
    »Richtig«, antwortete er. »Ich habe es mir sehr genau angesehen. Du hast ein gutes Auge. Dein Strich ist noch zaghaft,du traust dir nichts zu, aber das ist eine Sache der Übung. Du siehst das Wesentliche, und darauf kommt es an. Wenn man das
     Wesentliche nicht sieht, nützt alle Technik nichts. Und wenn man das Wesen dessen, was man zeichnet, nicht ausdrücken kann,
     ist das Bild langweilig und uninteressant.«
    Segantini schwieg einen Moment und betrachtete ihr Haar, das im abendlichen Licht aufleuchtete. Ein warmer Goldton, wie das
     Blattgold, das er zum Schluss in die kaum

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