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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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ihr Verlobter,
     der sich nicht mehr erlaubt hatte, als sie vorsichtig und liebevoll, aber ohne Leidenschaft auf den geschlossenen Mund zu
     küssen. So waren die Spielregeln, er hatte ja ein ganzes Leben Zeit, sie zu lieben, und konnte die dazu notwendigen Kenntnisse
     anderswo sammeln. Aber sie   … Die Hand machte keinen Halt, schob sich weiter, berührte schon ihre Hüften, hatte bereits den Taillenbändel des Beinkleides
     gelockert. Das Beinkleid war unten offen, sie war ganz ungeschützt, wenn er den Rock hochschieben sollte   …
    Plötzlich erschrak sie zu Tode. Was tat sie da? Wo waren denn ihre Schuhe hingekommen, sie hatte ja nur weiße Strümpfe an.
     Wo um alles in der Welt waren die Schuhe? Sie hatte James so begehrt, und jetzt fürchtete sie sich. Nicht, weil sie an Adrian
     dachte, sondern nur, weil sie selbst so weit gegangen war. James ließ ab von ihr, schenkte ihr noch ein Glas Champagner ein,
     reichte es ihr. Sie war froh, dass er aufgehört hatte. Der Champagner war frisch und kühl, ach, das war gut. James lächelte
     ihr zu und schenkte sich selbst nach.
    Wovor hatte sie Angst? Er würde ihr nichts tun, er ließ sie ja in Ruhe, sobald er spürte, dass ihr nicht mehr wohl dabei war.
     Es war doch ein wunderbares Abenteuer, das sie da erlebte. Niemand würde je davon erfahren. James wusste so gut,wie man mit ihr umgehen musste, und er hatte ihr so viel an Erfahrung voraus. Dass er sich überhaupt für sie interessierte.
     Ihre Mutter hatte so etwas sicher nie erlebt, vielleicht nicht einmal Tante Betsy. Mathilde hielt James noch einmal ihr Glas
     hin, plötzlich stolz auf ihre Verwegenheit. James schüttelte den Kopf.
    »Nein, nein, Mathilde, der Champagner steigt Ihnen sonst noch zu Kopf, und ich bin schuld daran, wenn das Ganze Ihnen nachher
     Kopfweh macht. Ich gebe Ihnen nichts mehr. Gar nichts mehr!«
    »Nimm mich in den Arm«, flüsterte sie, aber er schüttelte wieder den Kopf.
    »Aber nein. Wir müssen jetzt los. Kate wartet auf uns, und wir wollen doch nicht zu viele Fragen beantworten müssen, oder?«
    Mathilde war enttäuscht. Er war gar zu vernünftig, fand sie jetzt. Er liebte sie eben doch nicht. Nicht richtig, nicht so,
     wie sie es sich wünschte. Er sollte sie bedrängen, und sie wollte dann Nein sagen. Er sollte sie leidenschaftlich begehren
     und sich am Ende nur zügeln, weil sie es verlangte. Und dann sollte ihm klar werden, dass er sie so sehr liebte, dass   …
    »Mathilde«, sagte er da in ihre Gedanken hinein. »Mathilde, gestatten Sie mir, dass ich eine Aufnahme von Ihnen mache? Eine
     Fotografie? Sie sind verlobt, ein Hinweis, den die gute Kate mir aufgezwungen hat. Das bedeutet, dass ich Sie verlieren werde.
     Erlauben Sie mir, dass ich eine Erinnerung an Sie mit nach Hause nehme, die ich immer wieder betrachten kann. Es wird dann
     sein, als seien Sie leibhaftig da   …Ich werde Ihren Duft spüren, Ihr Lachen hören   …«
    Mathilde war verwirrt. Eine Fotografie! Zur Erinnerung! Er wollte also nicht um sie kämpfen, Adrian aus dem Feld schlagen.
     Das brachte alles durcheinander. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte.
    James holte seine Kamera aus dem Schrank. »Bitte!«, sagte er. »Seien Sie nicht päpstlicher als der Papst. Der Apparat beißt
     nicht. Er tritt Ihnen nicht einmal zu nahe. Es geschieht Ihnen rein gar nichts. Und es tut ganz bestimmt nicht weh!«
    Sie musste lachen. Da hatte er recht.
    »Also gut, ich ziehe mich wieder ordentlich an und kämme mich«, sagte sie. Eigentlich war es schmeichelhaft, dass er sie fotografieren
     wollte.
    »Aber nein!«, rief er enttäuscht, »da könnte ich ja jede beliebige Dame ablichten. Ich möchte doch Sie, Mathilde, Sie, so
     wunderschön, wie Sie jetzt in diesem Augenblick sind!«
    Er fand sie wunderschön. »Also gut. Aber machen Sie schnell. Ehe ich es mir anders überlege«, sagte sie mit einem leisen Zweifel
     in der Stimme, der sich anschickte, durch den Champagnernebel zu dringen.
    Er küsste ihr die Hand.
     
    »Fräulein Schobinger   … Fräulein Schobinger!« Die Schwester mit der weißen Schürze und dem Häubchen beugte sich über Mathilde, strich ihr das feuchte
     Haar aus der Stirn. »Wachen Sie auf, Mathilde, was ist denn, Sie haben geträumt   … kommen Sie, kommen Sie, schauen Sie mich an!«
    Die Morgensonne fiel ins Zimmer, die Strahlen reichten bis auf das Federbett, das die Schwester sorgsam zurechtplusterte,
     und durch das offene Fenster drang der Duft der Sommerwiesen

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