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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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ihr Gegenüber aus seinen Gedanken auftauchte und sie wieder
     richtig ansah. Dann sagte sie vorsichtig: »Ja, Signore Robustelli, ich habe gemerkt, dass Sie mich mögen. Deshalb habe ich
     ja auch gewagt, mich wegen Luca an Sie zu wenden. Und ich habe auch nur schnell angeklopft, weil ich hoffte, Sie würden sich
     freuen, mich zu sehen   …«
    »So ist es«, bestätigte Achille ein wenig steif und fuhr fort, »und ich würde dich gern am Samstag zum Tanzen nach St. Moritz
     einladen.«
    Er lachte, denn es war ihm wirklich gelungen, sie zu überraschen. »Du sagst ja gar nichts. Du bist doch sicher schon mal tanzen
     gewesen?«
    »Ja«, gab Andrina zurück, »aber noch nicht mit einem Herrn wie Ihnen.«
    »Und das macht dich sprachlos?«, fragte Signore Robustelli, jetzt weniger befangen.
    Andrina schüttelte den Kopf.
    »Also?«
    Fasziniert beobachtete Achille, wie Andrinas volle Lippen sich zu einer Antwort spitzten. Ein Schwall wilder Wünsche, von
     deren Heftigkeit er selbst überrascht war, brauste in ihm auf, aber die musste er wohl noch eine Weile hintanstellen.
    »Ich komme gern   …«, sagte sie zögernd, »aber ich weiß nicht, was die Gouvernante   …« Sie sah ihn aus ihren kastanienbraunen Augen zweifelnd an.
    »Das lass nur meine Sorge sein«, gab er zurück. »Aber nun geh wieder an deine Arbeit.« Er wandte sich mit Schwung den Papieren
     auf seinem Schreibtisch zu.
    »Signore Robustelli?«
    »Was denn?«
    »Ich habe kein Kleid, in dem ich mich neben Ihnen sehen lassen kann.«
    Andrina hatte sich erhoben, und Robustelli ließ lächelnd seinen Blick über ihre Brüste und Hüften gleiten.
    »Du brauchst kein Kleid, um mir zu gefallen«, erwiderte er.
    ***
    Kate hatte die Nacht mit James nur als halben Erfolg verbucht. Er war nicht bis zum Morgen geblieben und kein besonders zärtlicher
     Liebhaber gewesen. Beim Frühstück fühlte sie sich so ungeliebt, dass sie sich fast nach der Rückkehr ihres Mannes sehnte,
     um nicht auf den Gedanken verfallen zu müssen, sie könnte vielleicht sogar eine Niederlage erlitten haben. Aber Robert brauchte
     nicht nur dreizehn Stunden hinunter bis nach Chur, sondern auch wieder dreizehn Stunden herauf nach St. Moritz, und sie würde
     sich selbst bemühen müssen, diesem Tag ein freundlicheres Aussehen zu geben, als die Schleierwolken am Himmel versprachen.
    Die Kellner hätten gern das Frühstücksgeschirr abgeräumt,denn es war schon wieder Zeit, die Tische für das Mittagessen einzudecken, aber Kate, die sich lange nicht hatte entscheiden
     können, ob sie hinuntergehen oder lieber etwas aufs Zimmer bestellen sollte, war erst sehr spät zum Frühstück erschienen.
     Sie hatte es dann doch vorgezogen, den Ort ihrer halben Schmach zu verlassen.
    »Ah«, sagte sie, als der Kellner sich dezent näherte, in der Hoffnung, sie werde sich erheben, »jetzt weiß ich, was ich unbedingt
     noch brauche! Seien Sie doch so nett und bringen Sie mir einen frischen Obstsalat. Das ist genau das, worauf ich jetzt Lust
     habe.« Sie lächelte liebenswürdig in das nicht eben erfreute Gesicht des Kellners und fügte hinzu: »Und sagen Sie bitte in
     der Küche, ich möchte ihn unbedingt mit frischem Pfirsich und   …«, rief sie dem jungen Mann hinterher, der ihr schon ohne eine Entgegnung den Rücken gekehrt hatte, »etwas frischen Toast.
     Dieser hier ist so weich und zäh, als wäre er zwei Tage alt.«
    Der Kellner drehte sich weder um, noch antwortete er darauf. Er nickte nur schweigend, und Kate fühlte sich eine Spur besser.
    Das änderte sich, als man ihr am Empfang ein Telegramm aushändigte, in dem Robert ihr mitteilte, er werde einen Tag länger
     als ursprünglich geplant in Chur bleiben.
    »Ist alles in Ordnung, Madame?«, erkundigte sich der Mann an der Rezeption.
    »Ja, ja. Selbstverständlich«, gab sie zurück und trat aus dem Haus. Nach kurzem Zögern ging sie die Allee hinunter, die zum
     Ufer des Sees führte. Bei einem hübsch angelegten, mit Blumen bepflanzten Rondell auf halber Höhe des Weges, wo man sich auf
     Bänken niederlassen konnte, hielt sie inne. Das Rondell war zu dieser Zeit des Tages still und verlassen, nur die Vögel zwitscherten
     und schwirrten emsig zwischen den Bäumen hin und her. Mit einem erleichterten Seufzer sankKate auf eine Bank. Niemand würde hier die trübe Stimmung bemerken, die so gar nicht zu ihr zu passen schien.
    James hatte mit keinem Wort versucht, sich für die nächsten Tage mit ihr zu verabreden, im Gegenteil, er

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