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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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Oscar Bernhard, »die habe ich ja noch nie gesehen!«
    Nika sah Segantini erschrocken an.
    Der schien guter Laune, lachte und erwiderte: »Das, lieber Bernhard, ist das junge Talent, von dem ich Ihnen erzählte.«
    »Aber Sie haben mir verschwiegen, dass sie eine Schönheit ist, mein Lieber. Oder sollten Sie das als Maler nicht bemerkt haben?«
    Nika errötete vor Scham und Ärger. Sie sprachen über sie, als sei sie gar nicht anwesend. Und das inmitten all der Leute.
     Sie stieg vom Bock, um den Kutscher zu holen.
    ***
    Kate schmollte, dass ihr Mann nicht alle Anstrengungen unternommen hatte, um schnellstmöglich wieder in St. Moritz zu sein.
     Fast kam es ihr so vor, als habe sie ihn gar nicht betrogen, ganz im Gegenteil, als habe er sie ewig lange allein gelassen,
     während sie ungeduldig auf ihn wartete. Sie gefiel sich in der Rolle der zurückgelassenen Ehefrau und hätte sich nur ungern
     eingestanden, dass sie Robert weit weniger vermisst hätte, wenn James auch nur einen Finger gerührt hätte, um die Situation
     zu nutzen. Doch der war dieser Tage ein einziges Mal nach Maloja gekommen und hatte ihr nur flüchtig einen Kuss auf die Wange
     gedrückt, als sie sich zufällig in der Hotelhalle trafen.
    »Oh, das tut mir leid für dich, dass Robert noch nicht zurück ist! Du machst dir hoffentlich keine Sorgen, dass etwas Unangenehmes
     passiert sein könnte?«
    »Was soll Robert schon passiert sein in einer Stadt wie Chur?«, gab sie zurück und zeigte ihm ihrerseits die kalte Schulter.
     »Entschuldige mich, ich bin verabredet   …« Und sie war eilig gegangen.
     
    Robert sah nicht so aus, als ob er bereit wäre, auf ihre gekränkte Miene einzugehen, als er dem Boy, der ihm seine Reisetasche
     zum Hotelzimmer nachtrug, ungeduldig das Gepäckstück aus der Hand riss und ihn ohne Trinkgeld wegschickte.Und deshalb entschloss sich Kate sogleich, ihren beleidigten Ausdruck abzusetzen. Wenn eines sicher war, dann das: Er würde
     jetzt ein Gespräch über seine verspätete Rückkehr nach St. Moritz nicht schätzen.
    »Du siehst müde aus«, sagte sie deshalb nur, als er sie kurz und unwillig umarmte. »Die Reise muss eine Tortur gewesen sein.
     Warum gibt es Berge? Ich brauche jedenfalls keine   … Soll ich dir einen Kaffee bringen lassen?«
    »Nein«, sagte er kurz angebunden, »aber ich habe Hunger. Die Reise war grässlich. Ich hätte den beiden Damen, die mit mir
     in der Kutsche saßen, am liebsten den Hals umgedreht, damit sie endlich den Mund halten.«
    Kate schloss daraus, dass er dem weiblichen Geschlecht zur Zeit nicht besonders zugetan war, und beglückwünschte sich, dass
     sie so schnell auf ihr Schmollen verzichtet hatte. Sie fragte sich, ob seine Bemerkung ein Hinweis darauf war, dass er in
     Chur eine Frau getroffen hatte, die sich anders verhalten hatte, als er sich das vorstellte. Jedenfalls, ein Bordellbesuch
     hätte ihn wohl friedlicher gemacht. Aber gab es in Chur ein Bordell? Und wieso sollte er eine Geliebte gerade in Chur treffen?
    »Ich verstehe, dass du Hunger hast. Dann lass uns gleich zum Abendessen hinuntergehen!« Sie fasste ihren Mann zärtlich am
     Arm, aber auch das schien zu viel des Guten.
    Während sie sich für das Abendessen zurechtmachte, kam Kate zu dem Schluss, dass es sich wohl eher nicht um eine Frauengeschichte
     handelte, die Roberts Stimmung in den Keller gebracht hatte, es sei denn, seine Geliebte hätte sich gerade auf der Durchreise
     befunden. Um diese Zeit des Jahres waren ja alle Engländer, die etwas auf sich hielten, in der Schweiz. Aber die Wahrscheinlichkeit
     eines solchen Zusammentreffens war doch gering. Nun, wie auch immer, sie würde heute gefügig sein.
    »Nächste Woche eröffnet das Palace«, versuchte Kate ihrenMann aufzuheitern. »Es wird eine großartige Gala geben. Ich dachte, ich ziehe das cremefarbene Spitzenkleid an, das du so
     magst   …«
    Sie zuckte zusammen, als Robert ihr ins Wort fiel.
    »Ich habe nachher mit dir zu reden.« Er schob nervös den Teller zur Seite. Obwohl er hungrig gewesen war, lag die Hälfte des
     Brasato alla Valtellina noch darauf, vom Gemüse ganz zu schweigen, das er kaum angerührt hatte. Karotten waren in seinen Augen
     Karnickelfutter, und die Erbsen rollten einem immer von der Gabel. Ansonsten war er wenig gesprächig, und Kate suchte Zuflucht
     in der Konversation mit den Gästen, die an der Table d’Hôte direkt neben ihnen saßen.
     
    Ihr Versuch, ihn ins Schlafzimmer zu ziehen, missglückte. Die Lage

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