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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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war also ernst. Im Salon ihrer Hotelsuite kam Robert zur
     Sache.
    »Nun renne doch nicht herum wie ein nervöses Huhn«, sagte er gereizt, »ich muss dir etwas sagen.«
    Kate, angetrieben von dem widersprüchlichen Gefühl, ihren Mann nur sehr beschränkt zu mögen, in diesem Moment aber besser
     jede Kritik an ihm zu unterdrücken, setzte sich.
    »Was ist denn geschehen, um Himmels willen? Nun sag es doch!«
    »Wir werden abreisen. Du kannst gleich anfangen, deine Sachen zusammenzusuchen. Und vergiss nicht die Liebesbriefe, die dir
     deine diversen Liebhaber vielleicht hierhergeschickt haben.«
    Mein Gott, dachte Kate, er ist unausstehlich. Hatte er auf irgendeine Weise erfahren, dass James sie hier besucht hatte? Sie
     stand auf, setzte sich aber gleich wieder.
    »Ich habe in Chur einen wichtigen Geschäftspartner getroffen«, fuhr Robert fort. »Kurz, das Gespräch ergab, dass ich sehr
     viel Geld verloren habe. Die Einzelheiten musst du nichtwissen. Ich bin weiter nach Zürich gereist, um mit der Bank dort zu sprechen und Kreditmöglichkeiten abzuklären. Aber die
     Lage sieht düster aus. Jedenfalls müssen wir abreisen. Ich muss mich in London dringend um die nächsten Schritte kümmern.«
    »Aber   …«, warf Kate ein.
    »Nichts aber. Dein Vergnügen hier wird auch geteilt sein, wenn du daran denkst, dass dein Mann bankrott ist.«
    Roberts Kopf war so rot angelaufen, dass seine Frau ein zweites »aber« unterdrückte. Es konnte doch nicht sein, dass sie plötzlich
     kein Geld mehr hatten. Das war ja unvorstellbar. Wenn das wirklich so war, wollte sie heim zu ihren Eltern nach Boston, sofort.
     Ein bankrotter Ehemann. Was für eine Schande!
    Robert schien ihre Gedanken erraten zu haben.
    »Und du wirst bei mir bleiben und mir zur Seite stehen. Immerhin bist du meine Frau. Wir werden Personal entlassen müssen,
     und du wirst dich wohl stärker um die Haushaltsführung kümmern müssen als bisher.«
    Er trommelte nervös mit den Fingern auf der Sessellehne herum.
    »Ich muss sehen, was ich retten kann. Meinst du vielleicht, mir macht die Situation Spaß?«
    Dann machte seine Wut langsam deprimierten Gefühlen Platz. Er wirkte plötzlich klein, wie er so vor Kate in seinem Sessel
     zusammensank. Er war auch sonst nur durchschnittlich groß, aber sein Geld und seine Bedeutung hatten ihn gewichtig erscheinen
     lassen.
    Kate spürte Widerwillen, fast Ekel in sich aufsteigen. Wenn er nicht stark war, sie beschützte und für sie sorgte, was war
     er dann? Ein ungeliebtes Nichts, das sie nicht einmal geschwängert hatte. Welche Schande, so Hals über Kopf abzureisen, vor
     dem Ereignis der Saison. Wie sollte sie das ihren Freundenerklären? Ein Kartoffelsack ist er, wie er so dasitzt, dachte sie, und die Tränen stiegen ihr in die Augen.
    Ihre Tränen hatten verschiedene Gründe. Die Nachricht war ein Schock, und erst langsam begriff sie, was sie bedeutete. Außerdem
     verachtete sie Menschen, die versagten, und nun stand ihr Mann vor der Welt als Verlierer da. Noch dazu – diese Erkenntnis
     meldete sich schwach und undeutlich, aber quälend genug in einer Ecke ihres Bewusstseins – war sie, wenn ihr Mann nichts mehr
     war, selbst ein Nichts. Eine Versagerin, die keine Kinder bekam und auch sonst nichts vorzuweisen hatte. Die auf Dienstboten
     angewiesen war, damit nicht offenbar wurde, dass sie nichts konnte, nicht einmal einen Kaffee kochen oder einen Strumpf stopfen.
     Dass sie eine Person war, der man zu Füßen liegen musste, damit sie jemand war, damit sie sich selbst für liebenswert halten
     konnte.
    Ein merkwürdiger Ton entrang sich ihrer Brust, ein Schluchzen, das sie sich gleichzeitig verbot. O nein, weinen hatten ihre
     Eltern die kleine Kate nie sehen wollen.
    Es war gar keine gute Idee, nach Amerika zurückkehren zu wollen. Und als sie nun auch noch daran dachte, dass sie vielleicht
     James, der ihr als Gespiele so sicher erschienen war, an die naive, unbedeutende Mathilde verloren haben könnte, die noch
     dazu krank war, als auch noch dieser Gedanke in ihr aufstieg, als könne sie sich nicht genug quälen, brachen die Tränen ungehemmt
     hervor.
    Robert, der seine Frau liebte, nicht ohne Wenn und Aber, doch auf seine Weise hingebungsvoll, sah überrascht auf das seltene
     Bild einer haltlos weinenden Kate.
    »Nun«, sagte er etwas hilflos, »noch ist ja nicht alles verloren. Nun hör doch auf zu weinen.«
    Aber Kate wollte nicht aufhören zu weinen.
    ***
    Achille hatte keine andere Wahl. Er

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