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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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musste reagieren, auch wenn das unangenehm war und seiner diskreten Art widersprach. Gaetano
     hatte sich beschwert. Segantini halte die Straniera nicht nur im Park von der Arbeit ab, jetzt habe er sie auch mitten am
     Tage mit nach St. Moritz genommen. Und egal, wie weit hinauf Segantinis gute Verbindungen reichten – das ging nun wirklich
     zu weit. Robustelli musste dem Gärtner recht geben. Und je dramatischer diese unselige Geschichte wurde, desto mehr böses
     Blut würde entstehen. Entlassen wollte er Nika nicht, obwohl er das eigentlich hätte tun müssen. Es war ihm nur zu deutlich
     bewusst, dass er im Grunde mit Segantini sprechen musste.
    Zurückhaltung war eine Tugend, Feigheit nicht. Achille beschloss, Segantini auf den Vorfall anzusprechen. Vielleicht war ihm
     gar nicht klar, dass seine Anteilnahme an Nika sie in eine gefährliche Lage brachte. Dramatisieren wollte er das Ganze nicht,
     aber wenn Segantini ins Hotel kam, um Mr.   Danby zu treffen, wollte er ihn kurz zur Seite nehmen.
    ***
    »Guten Tag, Mathilde, darf ich stören? Oh, jetzt habe ich Sie aufgeweckt!«
    Mathilde war tatsächlich auf dem Balkon ihres Zimmers eingedöst, nachdem Betsy mit ihr einen kleinen Spaziergang gemacht und
     sie dann allein gelassen hatte. Sie schlug die Augen auf – es war eine junge, männliche Stimme, die sie in einem etwas wirren,
     flüchtigen Traum erreichte. Für einen Augenblick glaubte sie, es sei James, und ihr Herz begann heftig zu schlagen. Aber als
     sie sich in ihrem Liegestuhl aufsetzte und sich umsah, war es Edward, der sie verlegen anlächelte.
    Mathilde strahlte ihn erleichtert an. Es war nett, dass er sie besuchte, und vor allem beruhigte sich ihr Herz, als sie sah,dass nicht sein Freund dort in der Tür stand. Sie bat ihn, doch neben ihr Platz zu nehmen, und er überreichte ihr etwas umständlich
     den Strauß Blumen, den er mitgebracht hatte. Feuerlilien und Türkenbund, ein so leuchtendes Orange und Purpur lagen auf ihrem
     Schoß, dass man hätte meinen können, der Widerschein dieser Farben reiche bis zu ihren Wangen hinauf.
    »Wie schön die Blumen sind«, sagte sie entzückt.
    »Es gibt einzelne Stellen, da wachsen sie in Mengen.«
    Mathilde lächelte. »Sind Sie bitte so nett und suchen eine Vase dafür? Im Zimmer oder bei der Schwester   … Und dann kommen Sie ganz schnell wieder. Sie müssen mir erzählen, was Sie in den letzten Tagen alles gemacht haben. Es ist
     ein bisschen langweilig hier«, sie kräuselte missbilligend die Nase, »und ich darf noch nicht viel laufen. Dafür muss ich
     ganz viel essen.«
    »Macht nichts, wenn Sie ein bisschen zunehmen. Finde ich jedenfalls.« Edward nahm ihr die Blumen ab und ging auf die Suche
     nach einer Vase.
    Kaum war er aus dem Zimmer, sprang Mathilde auf, besah sich kritisch im Spiegel, trug etwas Puder auf und versuchte, ihre
     widerspenstigen Löckchen zurechtzuzupfen.
    »Ach, lassen Sie doch die Löckchen ruhig springen«, sagte Edward, der den Raum unbemerkt wieder betreten hatte. Mathilde,
     ertappt, ließ die Hände sinken und sah ein wenig beschämt aus. Jetzt musste er denken, dass sie sich für ihn schön machte.
     Und, zu ihrer eigenen Überraschung, es war wirklich so. Ein kleines Schweigen entstand zwischen ihnen, aber es war nicht unangenehm.
    Dann sagte Edward: »Wenn Sie erlauben, besuche ich Sie als Stellvertreter von James. Sie wissen ja, James ist   …«, er lachte vorsichtig, denn er wollte ihr nicht zu nahe treten. »Jedenfalls dachte ich mir, ich könnte Ihnen hier und da
     die Zeit vertreiben, wenn James sie nicht besuchen kann.«
    Sie holte schon Luft, um etwas Heftiges zu erwidern, biss sich aber schnell auf die Unterlippe und schwieg. Er wusste ja nicht,
     was zwischen James und ihr vorgefallen war und dass sie James weggeschickt hatte. Natürlich hatte sie in den Tagen darauf
     sehnsüchtig gewartet, dass James trotzdem käme. Aber er hatte sie beim Wort genommen, und das war ein Beweis dafür, fand sie,
     dass er sich nicht besonders viel aus ihr machte. Wie auch, wo doch Kate ihm gleich nach besagter selig-unseliger Stunde unter
     die Nase gerieben hatte, dass sie verlobt war. Ach, all das war ganz schrecklich.
    Oder, anders gesagt, es war schön, dass Edward als Stellvertreter für James kam. Und sie hatte noch nie einen Blumenstrauß
     bekommen, der glühte wie ein Feuer und an dem man sich doch nicht verbrannte.
    ***
    Kate packte unwillig ihre Sachen. Sie hatte nach Andrina gerufen, die ihr dabei

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